Anne Spiegel sagt aus: „Ja, es gab diese SMS“

Die Bundesfamilienministerin hat Freitagabend vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt. Offen bleibt, wie lange sie in der Flutnacht telefonisch erreichbar war.

Familienministerin Anne Spiegel am Freitagabend vor dem Untersuchungsausschuss.
Familienministerin Anne Spiegel am Freitagabend vor dem Untersuchungsausschuss.dap/ Arne Dedert

Familienministerin Anne Spiegel ist am Freitag vor dem Untersuchungsausschuss zur Ahrtal-Katastrophe mit 134 Toten erschienen. Sie bestätigte, dass die zuvor geleakten Nachrichten echt sind. Spiegel wörtlich: „Ja, es gab diese SMS, und es gab auch meine Antwort darauf.“ Bei ihrer Ankunft hatte sie gesagt: „Ich werde jetzt zu allen Fragen im Untersuchungsausschuss Stellung nehmen.“ Es sei „gut, dass der Untersuchungsausschuss auch öffentlich ist“. Der damaligen Umweltministerin in Rheinland-Pfalz und heutigen Familienministerin wird vorgeworfen, bei der Katastrophe vom 14. Juli 2021 vor allem auf ihr politisches Image bedacht gewesen zu sein.

Dazu sagte Spiegel (Grüne) am Freitagabend: „Es ist absolut falsch und ich weise entschieden zurück, dass ich irgendwann eine andere Priorität hatte“, sagte Spiegel am Freitag im Mainzer Landtag zu Medienberichten über einen SMS-Wechsel mit Mitarbeitern. Die kritisierten SMS seien nur „zwei von Tausenden Nachrichten am Tag danach“ gewesen. Sie habe ihrem Mitarbeiter kurz antworten wollen, ohne dass sich danach etwas daraus ergeben hätte. Sie habe zudem einen Krisenstab in ihrem Ministerium organisiert und sich um die Trinkwasserversorgung im Ahrtal gekümmert.

Die Grünen-Politikerin und damalige Umweltministerin in Rheinland-Pfalz geriet in den letzten Tagen in die Kritik, nachdem brisante Chatverläufe während der Katastrophe zwischen ihr und ihrem Team geleakt wurden (mehr hier und hier). Darin hieß es am Morgen nach der Katastrophe: „Das Blame Game könnte sofort losgehen, wir brauchen ein Wording, dass wir rechtzeitig gewarnt haben, wir alle Daten immer transparent gemacht haben, ich im Kabinett gewarnt habe, was ohne unsere Präventionsmaßnahmen und Vorsorgemaßnahmen alles noch schlimmer geworden wäre etc.“ In einer weiteren SMS gab Spiegel am späten Nachmittag des 14. Juli eine Pressemitteilung mit dem Hinweis „Bitte noch gendern. Ansonsten Freigabe“ frei. In der Pressemitteilung hieß es, dass „kein Extremhochwasser“ zu erwarten sei.

Keine Telefonate mit Spiegel vermerkt

Die Rhein-Zeitung berichtete in diesem Zusammenhang zudem über eine Anrufliste, die die Redaktion nach eigenen Angaben einsehen konnte. Demnach soll Anne Spiegel telefonisch nicht erreichbar gewesen sein, als die ersten Landkreise bereits den Katastrophenfall ausgerufen hatten, Straßen unterspült wurden und der Pegel in Altenahr von den tosenden Wassermassen weggerissen worden war.

In dem Bericht der Rhein-Zeitung heißt es, dass Staatssekretär Erwin Manz am 14. Juli um 22.24 Uhr versucht habe, seine damalige Vorgesetzte Spiegel zu erreichen. Weil der Anruf erfolglos blieb, soll Manz eine Notiz angelegt haben: „Versuch Telefonat.“ Landrätin Julia Gieseking rief bereits um 20.15 Uhr den Katastrophenfall aus, auch um so die Unterstützung durch die Bundeswehr zu ermöglichen. Gegen 21 Uhr teilte Gieseking bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz mit, dass es viele überschwemmte Straßen und Ortschaften gebe, die nicht mehr erreichbar seien. Gieseking sagte: „Ich appelliere an die Bevölkerung, dass alle zuhause bleiben und sich schützen vor den Wassermassen.“

Am nächsten Morgen habe Staatssekretär Manz laut Rhein-Zeitung um 7.52 Uhr erneut erfolglos versucht, Anne Spiegel zu erreichen. Am Freitagabend meldete der öffentlich-rechtliche SWR dann, Spiegel soll „länger erreichbar gewesen sein als bisher bekannt“. Das gehe aus der Aussage von Umweltstaatssekretär Erwin Manz (Grüne) im Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags hervor.

Nach einem vergeblichen Anrufversuch seinerseits um 22.24 Uhr am 14. Juli 2021 habe ihn Spiegel wenig später zurückgerufen. Manz: „Wir standen im Austausch miteinander.“ Spiegel sei bei Anrufen „immer zuverlässig“ gewesen. Sie habe sich immer sofort zurückgemeldet. In den Anruflisten von Manz, die dem Ausschuss vorliegen, sind keine Telefonate mit Spiegel vermerkt. Der Ausschussvorsitzende Martin Haller (SPD) sprach Manz darauf an, dass seine Telefonliste für 22.24 Uhr aber einen vergeblichen Anrufversuch bei Spiegel aufweise. Sie habe dann zurückgerufen, antwortete Manz. Die Beratungen über die Liste von Anrufen veranlassten Haller, die öffentliche Beweisaufnahme für interne Beratungen zu unterbrechen. Danach wies Haller den Staatssekretär ein zweites Mal auf die besondere Wahrheitspflicht hin.

„Bitte noch gendern, ansonsten Freigabe“

Spiegel am Vortag zudem um 16.26 Uhr eine Mitteilung mit dem Titel „Angespannte Hochwasserlage in Rheinland-Pfalz - Wasserstände an Rhein, Mosel und kleineren Flüssen und Bächen werden weiter ansteigen“ freigegeben. In der Mitteilung hieß es: „Wir nehmen die Lage ernst, auch wenn kein Extremhochwasser droht.“ Spiegel hatte die Meldung zur Freigabe kurz zuvor geschickt bekommen. Ihren Untergebenen antwortet sie laut den Chatprotokollen um 15.56 Uhr: „Konnte nur kurz draufschauen, bitte noch gendern CampingplatzbetreiberInnen, ansonsten Freigabe. Wir sollten die PM erst nach der jetzt begonnenen Debatte herausgeben. Danke.“

Spiegels Sorge um das korrekte Wording in Gender-Sprache sorgte für Kritik. Die Politikerin habe die mediale Performance und das machtpolitische Taktieren über die Not der Menschen im Ahrtal gestellt, sagte beispielsweise der CDU-Landesfraktionsvorsitzende Christian Baldauf. „Das ist beschämend und unwürdig für eine Ministerin.“