Antidepressiva frei Haus: Amazon startet Medikamenten-Flatrate
Für fünf Dollar monatlich bekommen Amazon-Kunden bald verschreibungspflichtige Medikamente vor die Haustür geliefert. Das Konzept weist Tücken auf.

Der Onlineversandhändler Amazon führt in den USA ein Flatrate-Abonnement für verschreibungspflichtige Medikamente ein. Antibiotika, Schmerzmittel, Viagra – für umgerechnet 4,50 Euro im Monat können sich Bestandskunden des Internet-Riesen künftig ihren gesamten Medikamentenbedarf frei Haus liefern lassen. Lukrativ ist das Modell vor allem aufgrund der schwierigen Versicherungslage in den USA.
Mit dem neuen „RxPass“ setzt das Unternehmen von Multimilliardär Jeff Bezos auf den Handel mit sogenannten Generika – also günstigeren Kopien geläufiger Medikamente. Auf der Liste der rund 50 erhältlichen Präparate ist so beispielsweise der Wirkstoff Sildenafil zu finden, statt dem nahezu identischen aber weitaus bekannteren Potenzmittel Viagra. Erhältlich ist die Medikamenten-Flatrate vorerst nur als Add-On zu einem bestehendem Prime-Abonnement.
Mutter, der Mann mit den Benzos ist da
Laut Angaben des Unternehmens wurden die bislang verfügbaren Mittel anhand der häufigsten 80 Krankheitsbilder in den Vereinigten Staaten ausgewählt – für den Online-Händler auch die Gewährleistung einer möglichst breiten Zielgruppe. „RxPass hilft Patienten bei der Bewältigung gängiger Erkrankungen, zum Beispiel Bluthochdruck, Angstzustände oder Sodbrennen“, heißt es in einer Mitteilung des Konzerns. Dies betreffe bis zu 150 Millionen Menschen in den USA, wie Vin Gupta, Chief Medical Officer bei Amazon, erklärte.
Die Anmeldung für den Lieferdienst soll in Absprache mit behandelnden Ärzten geschehen. Vor der Bestellung müssen demnach medizinische Daten und etwaige Rezepte für benötigte Medikamente bei Amazon eingereicht werden. Anschließend sollen Kunden ihren gesamten Medikamentenbedarf – wie es bereits bei anderen Abo-Modellen des Unternehmens der Fall ist – bereits innerhalb von 24 Stunden nach der Bestellung erhalten. Gerade für Ältere oder Menschen mit eingeschränkter Mobilität ein praktisches Angebot.
Verdi kritisiert Arbeitsbedingungen bei Amazon
Aufgrund dieses Geschäftsmodells steht Amazon jedoch auch immer wieder in der Kritik. Während Verbraucher von geringen Lieferzeiten profitieren, tragen Mitarbeiter des Konzerns, wie zahlreiche Berichte von Paketboten und Lagerhelfen nahelegen, offenbar die Kosten. Insbesondere Lieferfahrer für Amazon klagen – auch in Deutschland – regelmäßig über Niedriglöhne, extremen Zeitdruck und schlechte Arbeitsbedingungen.
„Wenn wir hören, dass bei Schäden an Paketen und Fahrzeugen Lohn einbehalten wird, unabhängig davon, ob ein Verschulden vorliegt, oder in Dreiraumwohnungen bis zu sechs Personen leben und jeder dafür 300 Euro Miete bezahlt, dann ist das nur die Spitze des Eisbergs und es gibt akuten Handlungsbedarf“, sagte Silvia Reichert, Gewerkschaftsführerin bei Verdi, gegenüber dem Nordkurier.
USA: Amazon profitiert von schlechten Sozialleistungen
Bereits 2020 erklärte Amazon, mit der neu gegründeten „Amazon Pharmacy“ in den Online-Medikamentenhandel einsteigen zu wollen. Dort getätigte Einkäufe konnten Kunden in den USA bisher auch über ihre Krankenversicherung abwickeln. Beim „RxPass“ ist das anders. Auch die staatlich finanzierte Gesundheitsfürsorge Medicaid – eine Art Minimal-Versicherung für Menschen mit geringem Einkommen – wolle man für die Zahlung nicht akzeptieren.
Ökonomin Karen Van Nuys von der University of Southern California sieht das neue Geschäftsmodell aufgrund dieser Einschränkungen ambivalent. Dennoch sei „jedes Programm, das mehr Patienten mit kostengünstigen Generika versorgt“ insgesamt eine „gute Sache“, wie Van Nuys der Nachrichtenagentur AP sagte. In den USA garantiert der Staat den Bürgern weitaus weniger Sozialleistungen, als beispielsweise in Deutschland. Im Jahr 2021 hatten demnach etwa 30 Millionen Menschen keine Krankenversicherung.
