Pelosi-Besuch in Taiwan: China droht mit „gezielten militärischen Aktionen“
Nach der Landung der US-Politikerin Nancy Pelosi in Taipeh wurde Chinas Armee in Alarmzustand versetzt. Der Besuch der Amerikanerin sei ein „Spiel mit dem Feuer“.

Nach der Landung der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi in Taiwan hat China mit „gezielten militärischen Aktionen“ gedroht. „Die chinesische Volksbefreiungsarmee ist in hohem Alarmzustand und wird mit einer Serie gezielter militärischer Aktionen antworten“, erklärte am Dienstagabend ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Peking nur kurz nach der Ankunft von Pelosi in Taipeh. China betrachtet das demokratisch regierte Taiwan als abtrünnige Provinz.
Die US-amerikanische Politikerin war trotz chinesischer Warnungen am Dienstagabend an Bord einer US-Militärmaschine in Taipeh gelandet. Als Vorsitzende des Repräsentantenhauses hat sie das dritthöchste Amt der USA inne. Die der Demokratischen Partei von Präsident Joe Biden angehörende Politikerin ist damit die ranghöchste US-Vertreterin seit 25 Jahren, die Taiwan einen Besuch abstattet. Unmittelbar nach ihrer Landung betonte sie in einer Erklärung die „bedingungslose Unterstützung der USA für Taiwans lebhafte Demokratie“.
Our visit reiterates that America stands with Taiwan: a robust, vibrant democracy and our important partner in the Indo-Pacific. pic.twitter.com/2sSRJXN6ST
— Nancy Pelosi (@SpeakerPelosi) August 2, 2022
China: „Wer mit dem Feuer spielt, wird sich selbst verbrennen“
China protestierte auch sofort nach der Landung in scharfer Form gegen Pelosis Besuch. Das Außenministerium in Peking sprach von einem „sehr gefährlichen Spiel mit dem Feuer“. „Wer mit dem Feuer spielt, wird sich selbst verbrennen.“ China werde „alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die nationale Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen“. Unmittelbar vor Pelosis Landung überflogen chinesische Kampfflieger vom Typ Su-35 den Meeresweg der Taiwanstraße. Zudem kündigte China Manöver mit Schießübungen in sechs Meeresgebieten rund um die demokratische Inselrepublik an.
Nach ihrer Landung in Taipeh sicherte Pelosi Taiwan weitere Unterstützung zu. „Amerikas Solidarität mit den 23 Millionen Menschen in Taiwan ist heute wichtiger denn je, da die Welt vor der Wahl zwischen Autokratie und Demokratie steht“, so die 82-Jährige. In der Washington Post schrieb sie: „Wir können nicht zusehen, wie die (chinesische kommunistische Partei) CCP Taiwan – und die Demokratie selbst – bedroht. Wir bekräftigen, dass die Freiheiten Taiwans – und aller Demokratien – geachtet werden müssen.“
John Kirby: USA lassen sich nicht durch Drohungen einschüchtern
Das Weiße Haus betonte zugleich, Pelosis Besuch ändere nichts an der Ein-China-Politik der USA. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, sagte dem Sender CNN, es gebe keinen Grund für China, aus dem Besuch einen Konflikt zu machen. „Die Vereinigten Staaten lassen sich auch nicht durch Drohungen einschüchtern.“
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hielt China ebenfalls Drohgebärden vor. „Wir haben schmerzhaft in den letzten Monaten seit dem 24. Februar gelernt, dass aggressive Rhetorik zu gefährlichem Handeln führen kann“, sagte sie in einer Rede in New York. Die Grünen-Politikerin fügte hinzu: „Es kann nicht in unserem Interesse sein, wenn China zusätzlich noch ausufernde wirtschaftliche Abhängigkeiten in der Region kreiert.“ Die Grünen-Politikerin hatte China bereits am Montag kritisiert, was einen offiziellen Protest aus Peking wegen Einmischung in eine „innere Angelegenheit Chinas“ zur Folge hatte.
China droht – und Taiwan erhöht die Kampfbereitschaft
Als Reaktion auf Chinas militärische Muskelspiele erhöhte Taiwans Militär seine Kampfbereitschaft. Pelosis Besuch im Rahmen einer Asien-Reise war bis kurz vor der Landung nicht offiziell bestätigt worden. Am Mittwoch will die 82-Jährige nun Präsidentin Tsai Ing-wen und Abgeordnete treffen. Der Besuch der Nummer drei der USA – nach Präsident und Vizepräsidentin – gilt in Taiwan als willkommene Aufwertung. Zudem wird er als Rückschlag für Peking gewertet, das Taiwan international zu isolieren sucht.
Pelosis Flugzeug machte nach Medienberichten auf dem Weg von Malaysia einen Umweg um das von China weitgehend kontrollierte Südchinesische Meer. In chinesischen Staatsmedien war sogar diskutiert worden, ob auch gegen ihr Flugzeug vorgegangen werden solle. Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte US-Präsident Joe Biden schon vergangene Woche gewarnt: „Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden daran zugrunde gehen.“
Aus Sicht der chinesischen Führung gehört Taiwan zur Volksrepublik, obwohl es schon vor deren Gründung 1949 eigenständig regiert war. Die 23 Millionen Einwohner zählende Insel versteht sich auch schon lange als unabhängig. Der Machtanspruch auf die Insel geht auf die Gründungsgeschichte der Volksrepublik zurück, was die große Bedeutung für die Kommunistische Partei erklärt. Am Ende des Bürgerkrieges gegen die Kommunisten war die nationalchinesische Kuomintang-Regierung mit ihren Truppen nach Taiwan geflüchtet, während die Kommunisten 1949 die Volksrepublik ausriefen.
Beziehungen zwischen China und USA „auf des Messers Schneide“
Die Insel hat wegen ihrer Lage an wirtschaftlich wichtigen Meeresstraßen geostrategische Bedeutung und wurde von US-Generälen früher auch gerne als „unsinkbarer Flugzeugträger“ beschrieben. Die parteinahe chinesische Zeitung Global Times schrieb, die Beziehungen zwischen China und den USA stünden „fast auf des Messers Schneide“. „Die Gegenmaßnahmen, die das Oberkommando für Pelosis möglichen Taiwan-Besuch vorsieht, müssen um ein Vielfaches rigoroser und umfassender sein, als man es sich vorstellen kann.“
Das Weiße Haus warnte Peking vor einer Eskalation. Kirby sagte, die USA würden sich nicht auf „Säbelrasseln“ einlassen. „Gleichzeitig lassen wir uns aber auch nicht einschüchtern.“ Der Besuch ändert auch „nichts“ an der China-Politik der USA. Die USA unterhalten keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, sondern betrachten Peking als legitimen Vertreter Chinas. Pelosis Besuch ist der höchste aus den USA seit der Visite ihres republikanischen Amtsvorgängers Newt Gingrich 1997. Damals – kurz vor der Rückgabe der britischen Kronkolonie Hongkong an China – fiel die Reaktion gemäßigt aus.
