Vor Baerbocks Rede: Lawrow steht auf und geht

Lawrow verlässt G20-Treffen vorzeitig: Man habe mit dem Westen „nichts zu besprechen“,  sollten EU und USA „einen Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld“ anstreben.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow.imago

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat nach seiner Rede beim G20-Treffen der führenden und aufstrebenden Wirtschaftsmächte auf der indonesischen Ferieninsel Bali den Sitzungssaal verlassen. Das berichteten Delegationskreise am Freitag am Rande der Beratungen. Lawrow habe sich damit auch der Replik von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) entzogen. Am Donnerstagabend hatte Baerbock kurz nach ihrem Eintreffen auf Bali angekündigt, sie werde in ihrer Replik auf Lawrow „sehr deutliche Worte finden, dass wir diesen Bruch des internationalen Völkerrechts nicht akzeptieren“. Zudem hatte die Grünen-Politikerin gesagt, es werde „das sonst übliche offizielle Familienfoto nicht geben“.

Sie war als amtierende Vorsitzende der G7-Gruppe führender demokratischer Wirtschaftsmächte als nächste Rednerin nach Lawrow vorgesehen. Am frühen Freitag wurde dann mitgeteilt, dass der russische Außenminister Sergej Lawrow das G20-Treffen der führenden und aufstrebenden Wirtschaftsmächte auf Bali vorzeitig verlässt.

Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth bezeichnete die vorzeitige Abreise am Freitag als „Respektlosigkeit“. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags warb am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“ zugleich dafür, auch dann am Gipfel der Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten im November teilzunehmen, wenn Russlands Präsident Wladimir Putin dabei ist. Da Gastgeber Indonesien offenkundig daran festhalte, Putin einzuladen, „fände ich es problematisch (...), das G20-Format zu sprengen“, sagte Roth. „Und ich finde, wir sollten dort ein deutliches Signal setzen: Wir sind gesprächsbereit. Denn noch einmal: Russland hat die Türen zum Dialog zugeschlagen, nicht der Westen, nicht wir. Und wir müssen auch Bündnisse schmieden über den klassischen, traditionellen Westen hinaus.“

„Hier ist die Weltordnung insgesamt infrage gestellt worden“

Lawrow hatte den Sitzungssaal des Außenministertreffens am Freitag gleich nach seiner Rede verlassen und sich die Wortmeldungen seiner Kritiker gar nicht mehr angehört. „Lawrow ist einer der größten Zyniker, die ich in meinem politischen Leben kennenlernen musste“, sagte Roth. „Ich kenne das auch von anderen Zusammenkünften: Rede vom Blatt ablesen dann rausgehen.“ Das sei „eine Respektlosigkeit sondergleichen“. In diesen Zeiten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hätte er „zumindestens erwartet, dass man sich noch mal die Argumente der anderen anhört“.

Er fügte an, es sei richtig, dass Deutschland und die anderen westlichen Staaten an dem G20-Treffen teilnehmen: „Denn wir müssen anerkennen - das ist sehr bitter - dass die meisten Staaten, die daran auch teilnehmen, die die Mehrheit der Weltbevölkerung repräsentieren, bislang den russischen Angriffskrieg nicht verurteilt haben.“ Man müsse deutlich machen: „Hier ist der Weltfrieden, hier ist die Weltordnung insgesamt infrage gestellt worden.“

„Dann haben wir wahrscheinlich mit dem Westen nichts zu besprechen“

Nach der vorzeitigen Abreise von Lawrow hatte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, der Deutschen Presse-Agentur am Freitag auf Anfrage mitgeteilt: „Lawrow führt noch bilaterale Gespräche, danach wendet er sich an die Presse und reist ab.“ Lawrow hatte dem Westen zuvor vorgeworfen, den Übergang zu einer friedlichen Lösung des Konflikts in der Ukraine zu verhindern. Wenn die EU und die USA „einen Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld“ anstrebten, „dann haben wir wahrscheinlich mit dem Westen nichts zu besprechen“, sagte Lawrow am Freitag. Lawrow warf dem Westen auch vor, die Ukraine dazu zu drängen, für die Kämpfe „seine Waffen zu benutzen“.

Der Minister kritisierte, dass die Vertreter westlicher Staaten Russland wegen der Lage in der Ukraine als „Aggressor“ und „Besatzer“ anprangere, ohne sich die Gründe anzusehen. Russland sieht es als sein Recht einer unabhängigen Politik an, seine Interessen in der Ukraine mit militärischer Gewalt durchzusetzen und kritisiert die westlichen Sanktionen als illegal. Er sei nach Bali gekommen, um sich einen Eindruck zu verschaffen, „wie der Westen atmet“, sagte Lawrow. Auf die Frage, ob sie Lawrow die Hand schütteln werde, sagte die Ministerin lediglich: „Wir sind ja auf einer internationalen Konferenz, wo ich nicht lächelnd mit jemand an der Seite stehen kann, der zeitgleich die Ukraine bombardiert.“

„Meinungsverschiedenheiten am Verhandlungstisch beilegen“

Die Außenministerin des Gastgeberlandes Indonesien, Retno Marsudi, rief am Freitag zum Auftakt des Treffens dazu auf, den Ukraine-Krieg so schnell wie möglich zu beenden. „Es ist unsere Verantwortung, den Krieg eher früher als später zu beenden und unsere Meinungsverschiedenheiten am Verhandlungstisch beizulegen und nicht auf dem Schlachtfeld auszutragen.“

Das Außenministertreffen gilt angesichts von Lawrows Teilnahme als diplomatisch äußerst heikel. Während die EU und die USA wegen des Ukraine-Krieges Sanktionen gegen Russland verhängt haben, halten sich G20-Staaten wie China, Indien und Südafrika mit einer Verurteilung des russischen Einmarschs in der Ukraine zurück.

ZDF-Journalist ist empört

Ein Journalist des öffentlich-rechtlichen ZDF empört sich bei Twitter unterdessen über einen Vorfall mit dem Sicherheitsdienst. Andreas Kynast, Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio, schreibt bei Twitter: „G20-Gipel auf Bali: ‚When do you stop the war?‘, rufe ich Russlands Außenminister Lawrow zu. Und werde von der indonesischen Sicherheit sofort rausgeschmissen.“ (mit afp, dpa)