Mutmaßliche Spionage: USA ermitteln neue Details zu chinesischem Ballon
Einige Trümmerteile wurden bereits aus dem Meer gezogen und ausgewertet. Nichts davon soll an China zurückgegeben werden.

Die Ballon-Affäre mit China zieht weitere Kreise. Nach dem Abschuss des Beobachtungsballons durch US-Militär über dem Atlantik sind Details zu dem Flugobjekt bekannt geworden. Der Ballon sei rund 61 Meter hoch gewesen und habe vermutlich so viel wie ein kleines Linienflugzeug gewogen, sagte der Befehlshaber des Nördliches Kommandos der Vereinigten Staaten, Glen VanHerck, am Montag.
Der Abschuss sei auch deshalb erst über dem Wasser erfolgt, weil man befürchtet habe, dass etwa Glas von Solarpanels oder potenziell gefährliches Material zum Beispiel aus Batterien hätte herunter stürzen können. Auch sei damit gerechnet worden, dass Sprengstoffe detonieren und der Ballon hätte zerstört werden können.
USA wollen Trümmerteile nicht an China zurückgeben
Derzeit läuft vor der Küste South Carolinas die Bergung der Trümmerteile. Man versuche, „so viel wie möglich von dem chinesischen Höhenballon zu bergen, in erster Linie für die Sicherheit der Menschen in der Region, aber auch, um ihn auf auszuwerten und auf jede erdenkliche Weise zu nutzen“, sagte VanHerck.
Das Marine-Vermessungsschiff Pathfinder nutze unter anderem Sonartechnik, um das Trümmerfeld zu vermessen. Das gesamte Feld habe eine ungefähre Größe von 1500 mal 1500 Metern. Aufgrund des Seegangs seien die Arbeiten unter Wasser zunächst erschwert worden. Der Einsatz finde in rund 15 Metern Wassertiefe statt, sagte VanHerck am Montag. Die USA erhoffen sich von der Untersuchung Aufschluss über die technischen Fähigkeiten des Ballons.
Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, sagte auf die Frage, ob man plane, China das geborgene Material zurückzugeben: „Ich weiß nichts von einer solchen Absicht oder von Plänen, es zurückzugeben.“
Weiterer Ballon über Lateinamerika stammt auch aus China
Währenddessen räumte das Außenministerium in Peking ein, dass ein weiterer, über Kolumbien entdeckter Ballon auch aus China stamme. Ähnlich wie bei dem Vorfall mit dem Ballon über den USA sagte Pekings Außenamtssprecherin Mao Ning, durch das Wetter und begrenzte Steuerungsmöglichkeiten sei er bei einem „Flugversuch“ unabsichtlich in den Luftraum lateinamerikanischer Staaten eingedrungen. China habe die Länder informiert.
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— SaveAmerica (@erick_fost) February 5, 2023
Zuvor hatte China seine Kritik an den USA für den Ballon-Abschuss noch verschärft. Aus Protest bestellte das Außenministerium den Geschäftsträger der US-Botschaft in Peking ein. Wie das Außenamt mitteilte, sagte Vizeaußenminister Xie Feng bei der Begegnung am Sonntag, die USA hätten damit die Bemühungen und Fortschritte auf beiden Seiten, die Beziehungen seit dem Treffen von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden im November zu stabilisieren, „ernsthaft beeinträchtigt und beschädigt“.
Peking: Behalten uns das Recht auf notwendige Reaktionen vor
Das Eindringen des Ballons sei nur ein „Unfall“ gewesen, der durch „höhere Gewalt“ passiert sei. „Die Fakten sind klar und können nicht verdreht werden.“ Trotzdem hätten sich die USA „taub gestellt“ und darauf bestanden, „Gewalt gegen ein ziviles Luftschiff zu missbrauchen, das dabei war, den Luftraum der USA zu verlassen“. Es sei eine „offensichtliche Überreaktion“ gewesen und verletze „den Geist des Völkerrechts und internationale Normen“. Die chinesische Regierung behalte sich das Recht auf notwendige Reaktionen vor.
Die USA hatten den Ballon, der tagelang über den USA geflogen war, am Sonntag vor der Atlantikküste von South Carolina mit einer Rakete abgeschossen. China wurde vorgeworfen, mit dem Ballon wichtige Militäreinrichtungen ausspionieren zu wollen. Die Regierung in Peking sprach dagegen von einem zivilen Forschungsballon, der durch die Westwinddrift und wegen unzureichender Navigation weit vom Kurs abgekommen sei. Die gleiche Rechtfertigung wurde jetzt auch bei dem Ballon über Lateinamerika übernommen.
Auch in Deutschland sorgt der Vorfall für Beunruhigung
In Deutschland reagierte die Bundesregierung besorgt auf die angespanntere Lage zwischen den USA und China. „Wir hoffen, dass der Vorfall nicht zu weiteren Spannungen beziehungsweise einer Eskalation im amerikanisch-chinesischen Verhältnis führen wird“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin. Die Berichte über den Überflug des Ballons und den Abschuss seien mit Sorge zur Kenntnis genommen worden. Zur Sache und zu möglichen Hintergründen lägen keine eigenen Erkenntnisse vor.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“: „Das beunruhigt uns sehr - auch mich persönlich, weil ich glaube, wir müssen aufpassen, dass nicht hier ein weiterer und großer internationaler Konflikt entsteht.“
Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth wertete den Ballon und die aufgeheizte Debatte darüber in den USA als einen „Vorgeschmack auf den sich zuspitzenden Konflikt zwischen China und den USA in den nächsten Jahren“. Der Abschuss des Ballons sei richtig gewesen, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Biden habe aber unter massivem Druck der Republikaner gestanden, die ihn als außenpolitisch schwach diskreditieren wollten. Zugleich verfolge Chinas Präsident Xi Jinping seit Jahren eine expansive Außenpolitik, führte der SPD-Politiker aus. „Das macht das Management der Beziehungen immer schwieriger.“
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen äußerte die Erwartung, dass der Ballon-Streit das Verhältnis zwischen China und den USA nur kurz belastet. „Aus meiner Sicht handelt es sich um eine chinesische Panne, die gleichwohl eine amerikanische Antwort erforderte“, sagte Röttgen dem RND. „Ich gehe aber davon aus, dass beide Seiten sich dadurch nicht länger als nötig von ihrem geplanten Kurs abbringen lassen werden. Und dieser besteht darin, in dem ausgeprägten Machtkampf beider Seiten nicht völlig sprachlos zu sein.“
