Bericht: Den Haag will Verfahren wegen russischer Kriegsverbrechen einleiten
Berichten zufolge steht das Internationale Strafgericht kurz vor der Verfahrenseröffnung gegen Russland. Es gehe vor allem um die Verschleppung ukrainischer Kinder.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag plant offenbar, zwei Verfahren wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen Russlands in der Ukraine zu eröffnen. Dies berichtete die New York Times am Montag unter Berufung auf interne Quellen. Die Ermittlungen beziehen sich demnach auf die Verschleppung ukrainischer Kinder und Jugendlicher sowie auf gezielte Angriffe auf die zivile Infrastruktur in der Ukraine.
Sollte es tatsächlich zu einem Verfahren in Den Haag kommen, wäre es das erste Mal seit der russischen Invasion im Februar 2022, dass rechtliche Schritte gegen Moskau eingeleitet werden. Nach Angaben der UN befinden sich bereits seit Monaten Sonderermittler in der Ukraine, die mögliche russische Kriegsverbrechen dokumentieren sollen. Beweise habe man inzwischen zahlreiche gefunden – auch in Bezug auf Folterungen und Hinrichtungen von Zivilisten.
„Zahnloser Tiger“ in Den Haag: Verfahren gegen Russland unwahrscheinlich
Berichten zufolge sollen russische Soldaten auf Anweisung Moskaus seit Kriegsbeginn Tausende ukrainische Kinder entführt und in prorussische Umerziehungslager gebracht haben. Experten des Yale Humanitarian Research Lab berichteten zuletzt von mindestens 6000 verschleppten Kindern und Jugendlichen. Die Ukraine spricht von mehr als 16.000. Russland gibt zwar zu, Minderjährige aus der Ukraine ins eigene Land gebracht zu haben, stellt dies aber öffentlich als humanitären Akt dar.
Gegen wen genau in Den Haag Strafanzeige gestellt werden soll, verriet die Staatsanwaltschaft dem Bericht zufolge nicht – man wolle keine Informationen zu laufenden Ermittlungen herausgeben. Eine Anzeige gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin ist zumindest nicht auszuschließen, da das Gericht die Immunität von Staatsoberhäuptern bei Kriegsverbrechen nicht anerkennt.
Dass die Beweislast – auch unter formalen Bedingungen – tatsächlich ausreicht, um ein Verfahren gegen Russland zu eröffnen, muss Chefankläger Karim Khan zunächst beweisen. Darüber entscheidet ein Richtergremium. Die Ukraine fordert seit Langem ein internationales Verfahren gegen Russland. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte sich zuletzt für ein Sondertribunal ausgesprochen.
Letztlich würde es sich dabei aber ohnehin um einen symbolischen Akt handeln, da Moskau kaum dazu geneigt wäre, die eigene Staatsführung nach Den Haag auszuliefern. Darüber hinaus haben viele Staaten – darunter die USA, China und auch Russland – die rechtliche Grundlage des Strafgerichts nie ratifiziert. International wird das Gericht daher oft als „zahnloser Tiger“ verspottet. Da Russland als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat zudem ein Vetorecht zusteht, ist eine ernsthafte Strafverfolgung russischer Kriegsverbrechen quasi ausgeschlossen.
