Berlin ändert seine Strategie im Kampf gegen Corona

Die Gesundheitsämter kommen bei der Kontaktnachverfolgung nicht mehr hinterher. Nun sollen sie sich mehr auf Risikogruppen konzentrieren.

Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD).
Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD).DAVIDS/Sven Darmer

Berlin-Angesichts der starken Zunahme von Corona- Erkrankten in Berlin setzen die Behörden bei deren Isolation und der Nachverfolgung ihrer Kontakte auf eine neue Strategie. Aufgrund der pandemischen Lage sei es den überlasteten Gesundheitsämtern nicht mehr möglich, jeden einzelnen Fall mit viel Aufwand und sehr zügig zu bearbeiten, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Freitag.

Menschen mit positivem Testergebnis sind in Berlin deshalb nun aufgerufen, sich auch ohne Kontakt zum Gesundheitsamt so schnell wie möglich in häusliche Isolation zu begeben. Zudem sollen sie Kontaktpersonen rasch über die Infektion informieren, damit diese sich selbst testen lassen und in Quarantäne gehen können.

Corona: Berliner mehr in Eigenverantwortung

Man setze stärker auf die Eigenverantwortung von Infizierten und ihrer Kontaktpersonen, sagte Kalayci nach einer Schaltkonferenz mit den Gesundheitsstadträten der Bezirke. Bei Corona-Tests und der Kontaktnachverfolgung liege der Schwerpunkt bei Risikogruppen, etwa Personal und Patienten in Krankenhäusern und Pflege oder obdachlose Menschen.

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„Das heißt nicht, dass die anderen Kontakte nicht nachverfolgt werden“, betonte Kalayci. „Dort wird es aber etwas Zeit kosten.“ Amtsärzte hatten einen solchen Strategiewechsel gefordert.

„Wir haben in vielen Bezirken einen Überlauf von Menschen, die wir am selben Tag nicht mehr erreichen können“, sagte der Gesundheitsstadtrat des Corona-Hotspots Neukölln, Falko Liecke, nach der Schaltkonferenz. „Das können wir auch nicht mehr nur mit zusätzlichem Personal abarbeiten.“

Deshalb sei die nun für alle Bezirke vereinbarte neue Vorgehensweise sachgerecht. „Ganz entscheidend ist, dass wir die infizierten Menschen rausziehen, quarantänisieren auf der einen Seite, und deren Kontaktpersonen lageangepasst erreichen“, so der CDU-Politiker. „Das wird auf Deutsch gesagt nicht immer sofort sein können. Da werden wir Zeit brauchen.“

Die Behörden seien deshalb ganz dringend auf die Unterstützung vieler Bürger angewiesen. „Gerade diejenigen, die positiv getestet wurden, und deren Kontakte: Da muss es auch eine Kommunikation zwischen diesen Menschen geben, damit sie rechtzeitig informiert sind, sich selber und vor allem andere zu schützen.“

Ab Sonnabend Corona-Schnelltests in der Altenpflege

Kalayci kündigte an, dass neuartige Corona-Schnelltests nunmehr Teil der Berliner Teststrategie seien. „Schnelltests sind jetzt da und werden erheblich zur Entlastung beitragen“, sagte sie. Ab Sonnabend werden die neuen sogenannten Antigen-Tests demnach in der Altenpflege eingesetzt. Ab der kommenden Woche sollen Lieferungen etwa an die Obdachlosenhilfe und den Krankenhausbereich gehen.

In Berlin hatte sich die Corona-Pandemie zuletzt stark ausgebreitet. Die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen kletterte auf über 100. Damit liegt die Hauptstadt deutlich über dem kritischen Schwellenwert von 50.

Am Sonnabend Maskenpflicht auf belebten Straßen in Berlin

Daher hatte der rot-rot-grüne Senat am Dienstag die Maskenpflicht auf Wochen- und Weihnachtsmärkte, zehn besonders belebte Einkaufsstraßen, Shoppingmalls und Warteschlangen ausgeweitet. Das gilt ab Sonnabend. Gleichzeitig greifen noch strengere Obergrenzen für private Zusammenkünfte: Draußen dürfen sich nur noch 25 statt bisher 50 Menschen treffen, drinnen statt bisher zehn Menschen nur noch Angehörige eines Haushalts plus maximal fünf andere Personen.

Die Polizei kündigte an, am Wochenende mit je 500 Landes- und Bundespolizisten die Einhaltung der Corona-Regeln zu kontrollieren. Die Kontrollen zielen auch auf illegale Partys und die Gastronomie ab, wo nachts eine Sperrstunde und ein Alkoholverbot gelten.

Die Ordnungsämter der Bezirke wollen tagsüber auf Wochenmärkten und Einkaufsstraßen wie Karl-Marx-Straße, Kurfürstendamm, Friedrichstraße, Wilmersdorfer Straße oder Schlossstraße Präsenz zeigen. Zunächst soll aber nach Auskunft der Bezirke die Information über die neue Maskenpflicht im Vordergrund stehen, weniger das Verhängen von Bußgeldern.