Berlin: Klimaaktivistin Carla Hinrichs wegen Nötigung verurteilt, Angst hat sie nur vor Haft

Die 26-Jährige gab vor Gericht zu, sich an einer Straßenblockade beteiligt zu haben. Sie rechnet mit weiteren Prozessen.

Die Sprecherin der Klimagruppe Letzte Generation Carla Hinrichs in einem Gerichtssaal in Berlin. 
Die Sprecherin der Klimagruppe Letzte Generation Carla Hinrichs in einem Gerichtssaal in Berlin. Annette Riedl/pa

Ihr Prozess dauert nur zwei Verhandlungstage, dann steht das Urteil fest: Carla Hinrichs, Sprecherin der Aktionsgruppe Letzten Generation, wird vom Berliner Amtsgericht am Donnerstag zu einer Geldstrafe verurteilt. Vor solchen Urteilen habe sie keine Angst, sagt die 26-jährige. „Angst macht mir die Klimakatastrophe und ihre Folgen.“ Auf weitere Verurteilungen sei sie vorbereitet. Angst mache ihr nur, dass es irgendwann keine Geldstrafen mehr sein könnten, sondern eine Freiheitsstrafe. „Wahrscheinlich wird daran aber kein Weg vorbeiführen“, sagt sie.

Am Donnerstag findet der zweite Termin vor dem Amtsgericht statt. Hinrichs beteiligte sich im Februar vergangenen Jahres an einem Klebeprotest der Gruppe. Das räumte sie beim ersten Termin vor drei Wochen ein. Sie halte das auch heute noch für richtig, sagt sie. „Es war moralisch richtig. Und es ist auch aus juristischer Sicht kein Verhalten, das durch dieses Gericht bestraft werden sollte.“

Neben Hinrichs steht am Donnerstag noch ein prominenter Mitstreiter in einem anderen Verfahren vor Gericht. Henning Jeschke, als Gesicht der Gruppe bekannt durch einen Hungerstreik im Zuge der Bundestagswahl 2021, muss sich am Donnerstagmorgen auch wegen einer Straßenblockade verantworten. Zum Prozessauftakt hatte er sich am 24. Februar an den Tisch vor der Anklagebank festgeklebt und durfte diesen mitnehmen. Nach seiner Verhandlung kam Jeschke auch zu Hinrichs zweitem Termin. In seinem Verfahren habe es heute kein Urteil gegeben, sagt er der Berliner Zeitung. Und: „Der Tisch wird noch in Erscheinung treten.“

Dem Vorsitzenden Richter Christoph Weyreuther warf Hinrichs bereits beim ersten Termin vor, er sei voreingenommen. Während des ersten Termins war zwischen der Klimaaktivistin und dem Richter eine Diskussion entstanden. Es ging um die Protestformen der Gruppe und die Frage, ob die Klimakatastrophe eine Meinung oder ein Fakt sei. Dass die Menschen genauso aussterben werden wie damals die Dinosaurier, das sagte Weyreuther. Und: Er sei sich über die Strafbarkeit von Hinrichs Taten schon sicher. „In der Diskussion wurde mir klar, er ist voreingenommen“, sagte Hinrichs der Berliner Zeitung nach diesem Termin.

Auch ihr Verteidiger Gerd Winter sah den Richter als voreingenommen an. Deswegen stellten sie einen Ablehnungsantrag gegen ihn. Der wurde allerdings abgelehnt, so dass Weyreuther am Donnerstag über Schuld und Unschuld von Carla Hinrichs entscheidet. Es sei schnell deutlich geworden, dass der Richter von der Strafbarkeit überzeugt ist, sagte der Anwalt. So könne er kein faires Urteil fällen.

Gerd Winter ist Hinrichs ehemaliger Uniprofessor, sie kennen sich aus Hinrichs abgebrochenem Jurastudium in Bremen. Nach einem Praktikum am Landgericht im Jahr 2015 war Hinrichs Berufswunsch Richterin.

Am Ende dieses zweiten Gerichtstermins steht ein Urteil gegen Hinrichs. Weyreuther verurteilt sie zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen von je 30 Euro. Hinrichs will gegen das Urteil vermutlich in Berufung gehen, sagt sie nach der Urteilsverkündung. Dann wäre das Berliner Landgericht zuständig.

Am ersten Tag trug die Angeklagte einen Verband am Arm, weil der gebrochen war. Gute Genesung wünscht der Richter Hinrichs noch, bevor sie den Saal verlässt und dass ihr Arm hoffentlich schnell verheile. Der Arm sei ihre geringste Sorge, kontert sie.