„Sea-Watch“-Kapitänin fordert „direkte Aktion“: Ist das ein Aufruf zur Gewalt?

In der taz fordert Carola Rackete von Fridays for Future, „radikaler“ zu werden. Das Vokabular erinnert im Ton an die Antifa. Ist das Zufall?

Carola Rackete, Kapitänin der „Sea-Watch 3“, winkt, als sie nach ihrer Ankunft im Hafen von Porto Empedocle festgenommen wird.
Carola Rackete, Kapitänin der „Sea-Watch 3“, winkt, als sie nach ihrer Ankunft im Hafen von Porto Empedocle festgenommen wird.imago

Berlin-Carola Rackete wurde in Deutschland 2019 zu einer Person der Zeitgeschichte, weil sie als Kapitänin der „Sea Watch 3“, eines Schiffs der privaten gleichnamigen Seenotrettungsorganisation, 53 Flüchtlinge aus Seenot rettete und trotz Verbots der italienischen Behörden in den Hafen von Lampedusa brachte. Mit „Handeln statt Hoffen“ veröffentlichte sie Ende 2019 ein Buch zur Umweltpolitik, in dem sie die Vorgehensweise der radikalen Umweltorganisation Extinction Rebellion befürwortet und für „zivilen Ungehorsam“ im Kampf gegen den Klimawandel plädiert.

In einem Gastbeitrag in der taz geht Rackete jetzt allerdings noch weiter und fordert die „Fridays for Future“-Bewegung um Luisa Neubauer dazu auf, „radikaler“ zu werden. „Nach drei Jahren Streik fehlen vor allem konkrete Veränderungen. Nicht durch freundliche Appelle, sondern durch direkte Aktion bauen wir den notwendigen politischen Druck auf, um das zerstörerische Nichtstun endlich zu beenden.“

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Und das Vokabular der 33-Jährigen erinnert mehr an die Auslassungen von Antifa, RAF und Rudi Dutschke 1967, der mit der Methode der „Stadtguerilla“ und mit „direkten Aktionen“ damals „zentrale Nervenpunkte des Systems in mannigfaltiger Form (von gewaltlosen offenen Demonstrationen bis zu konspirativen Aktionsformen) angreifen“ wollte. Damit waren gemeint: „Parlament, Steuerämter, Gerichtsgebäude, Manipulationszentren wie Springer-Hochhaus o. SFB, Amerika-Haus, Botschaften der unterdrückten Nationen, Armeezentren, Polizeistationen u. a. m.“

Wie nah ist Rackete an Rudi Dutschke?

Wie Rudi Dutschke versteht sich Rackete also laut Aussagen weniger als Aktivistin, die mit Reformen den Weg der Transformation bereiten will, sondern als Revolutionärin. Ein weiterer Klimastreik, wie ihn die Jugendbewegung um Neubauer fordert, führe zu nichts, schreibt Rackete weiter: „Klar, ihr ruft zum 24. 9. die gesamte Gesellschaft zu einem weiteren globalen Streik auf. Allerdings gab es schon ein paar solcher Streiks. Sie zwingen die Verantwortlichen nicht zum Handeln.“

Die wichtigsten Aussagen von Rackete aus dem Gastkommentar:
  • „Die Reaktion muss sein, dem parteipolitischen Nichthandeln, dem Status quo, unsere Unterstützung zu entziehen, anstatt ihn durch Appelle, doch endlich zu handeln, weiter zu legitimieren.“
  • „Wenn wir als Bewegung eine Chance haben wollen, dann müssen wir taktisch klug handeln. Wir müssen uns dem Status quo mit all unserer Macht in den Weg stellen und ihn verändern.“
  • „Im Gegensatz dazu sind die Erfolgschancen von reformistischer Dialogpolitik klar am Beispiel der Kohlekommission zu erkennen, deren Beschlüsse wir bis heute bekämpfen. Deswegen müssen wir situativ angemessene Aktionsformen nutzen, die die Zivilgesellschaft im Hambacher Forst schon lange unterstützt hat.“

Bei solchen Aussagen der Klimaaktivistin fragt sich der Leser, welchen Weg die Klimaproteste der einzelnen Gruppen in den nächsten Wochen und Monaten nehmen werden und ob der Protest, angesichts langwieriger politischer und wirtschaftlicher Umbauprozesse in Systemen, sich weiter radikalisieren wird.

Eine Aussage Racketes könnte man dabei als Prophezeiung lesen: „Niemand sagt, dass es angenehm ist, politisch unbequem zu sein. Es kann persönliche Konsequenzen haben, doch diese sind im Vergleich zur Klimakrise marginal.“ Dass die Klimaschützer inzwischen auch in Deutschland zu radikaleren Mitteln greifen, zeigt der „Hungerstreik der letzten Generation“. Im Regierungsviertel hungern Jugendliche derzeit seit mehr als zwei Wochen, um die Politiker zum CO2-Totalausstieg zu zwingen.