Berliner Amtsarzt: Aussetzung der Präsenzpflicht „entsetzliche Dummheit“

Amtsarzt Larscheid sagt, dass der „Widerstand und die Wut“ im Hygiene-Beirat „maximal“ sei. Die Aussetzung sei eine „einsame Entscheidung der Senatorin“.

Ein Corona-Test in einer Schule.  Berlin setzt die Präsenzpflicht an den Schulen bis Ende Februar zunächst aus. 
Ein Corona-Test in einer Schule. Berlin setzt die Präsenzpflicht an den Schulen bis Ende Februar zunächst aus. dpa/Christoph Soeder

Berlin setzt die Präsenzpflicht an den Schulen bis Ende Februar zunächst aus. Das teilte die Senatsbildungsverwaltung am Montag mit. Eltern können ab diesem Dienstag ihre Kinder in Eigenverantwortung von der Schulpräsenz ausnehmen. Die Entscheidung der Senatsverwaltung sorgt für teils heftige Kritik. Nach Ansicht des Reinickendorfer Amtsarzts Patrick Larscheid ist die Aussetzung der Präsenzpflicht eine „entsetzliche Dummheit“. Er sagte am Montagabend weiter: „Wir wurden in keiner Weise beteiligt, es ist eine einsame Entscheidung der Senatorin gewesen.“

Der Amtsarzt sagte weiter, dass der Widerstand und die Wut im Hygiene-Beirat, in dem die Politik sich mit Bezirken, Amts- und Kinderärzten und der Wissenschaft auch über das Vorgehen in der Corona-Pandemie berät, „maximal“ sei. „Es wird allgemein befürchtet, dass diese Entscheidung dazu führt, dass die soziale Spaltung zwischen den Kindern verschärft wird“, sagte Larscheid.

Hintergrund der umstrittenen Entscheidung sind die hohen Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen. „Auch wenn die Infektionen nach Aussagen von Medizinern der Charité, von denen sich die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie beraten lässt, in den Altersgruppen der Schülerinnen und Schülern in der Regel nicht zu einem stationären Aufenthalt und schweren Krankheitsverläufen führen, soll den Sorgen der Eltern Rechnung getragen werden“, hieß es dazu von der Bildungsverwaltung. Nachdem die Berliner Amtsärzte zudem in der letzten Woche angekündigt hätten, künftig an Schulen für direkte Kontaktpersonen keine Quarantäne mehr für Schüler auszusprechen, sei eine neue Situation entstanden.

Der Präsenzunterricht bleibe die „Regelform“, hieß es von der Bildungsverwaltung. „Schulen werden allen Schülerinnen und Schülern soweit möglich Lernangebote unterbreiten. Sollten sich Eltern gegen die Präsenz ihres Kindes in der Schule entscheiden, muss das der Schule unmittelbar formlos schriftlich mitgeteilt werden.“

Die Zahl der Corona-Infektionen war zuletzt wie überall auch an Berliner Schulen gestiegen. Deshalb hatte es von Verbänden oder aus der Elternschaft auch Forderungen gegeben, die Präsenzpflicht auszusetzen. In Brandenburg ist die Präsenzpflicht für Schüler zahlreicher Jahrgangsstufen bereits seit Ende November 2021 bis mindestens zu den Winterferien ausgesetzt.

Infektionen werden durch Formblatt von der Bildungsverwaltung bescheinigt

In Berlin ist die Inzidenz in den Altersgruppen 5-9 (3479,5) 10-14 (3746,7) und 15-18 (2585,1) derzeit höher als in anderen Bevölkerungsgruppen. Berlinweit lag der Wert, der die Zahl der Infektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen darstellt, am Montag laut Lagebericht der Gesundheitsverwaltung bei 1464,5.

Wie es ergänzend aus der Bildungsverwaltung hieß, werden Corona- Infektionen von Schülerinnen und Schülern, die zu Beginn des Schulbesuchs positiv getestet worden sind, übergangsweise durch ein von der Bildungsverwaltung bereitgestelltes Formblatt bescheinigt. Grund: Die Gesundheitsämter hätten die Ausgabe einer solchen Bescheinigung zunächst eingestellt. Das Papier ist für Eltern wichtig, um gegenüber ihrem Arbeitgeber zu dokumentieren, dass sie das betroffene Kind zu Hause betreuen müssen.

Nach den einwöchigen Winterferien sollen die Schüler an den Berliner Schulen außerdem zwei Wochen lang täglich getestet werden, also fünf mal die Woche. Bisher sind solche Corona-Tests dreimal die Woche üblich. Nach den Weihnachtsferien wurden schon einmal zeitweise fünf Tests pro Woche durchgeführt. (mit dpa)