Betrug im Pflegedienst: Berliner Firma erbeutet 700.000 Euro – Chefin gesteht

Die 46-jährige Angeklagte habe ein „System der Falschabrechnungen“ etabliert. Ihre Patienten mussten lügen, um eine Pflegestufe zu erhalten.

Eine ältere Frau wird von einer Pflegerin gewaschen (Symbolbild): Ein Pflegedienst in Berlin hat seine Patienten ausgenutzt, um staatliche Leitungen abzugreifen. 
Eine ältere Frau wird von einer Pflegerin gewaschen (Symbolbild): Ein Pflegedienst in Berlin hat seine Patienten ausgenutzt, um staatliche Leitungen abzugreifen. Imago/Ute Grabowsky

Berlin-Durch jahrelangen Betrug bei Pflegeabrechnungen soll sie fast 700.000 Euro Schaden verursacht haben: Gegen eine ehemalige Chefin eines Pflegedienstes hat am Dienstag der Prozess vor dem Berliner Landgericht begonnen. Die 46-Jährige habe ein „System der Falschabrechnungen“ etabliert, heißt es in der Anklage. Patienten seien angeworben und instruiert worden. Mitangeklagt sind ihre 72-jährige Mutter und ihre 41-jährige Schwester. Die Frauen erklärten über ihre Anwälte, die Vorwürfe würden im Kern zutreffen.

Die Staatsanwaltschaft geht von gewerbs- und bandenmäßigem Betrug aus. Angeklagt sind 39 Taten in den Jahren 2013 bis 2016, die sich auf 20 Patienten beziehen. Gegenüber Pflegekassen und Bezirksämtern wurden laut Ermittlungen Leistungen abgerechnet, die nicht oder nicht in vollem Umfang erbracht worden seien. Dabei sollen die Angeklagten in Absprache mit mehreren angestellten Pflegerinnen gehandelt haben, gegen die ein gesondertes Verfahren läuft.

Patienten mussten Atteste besorgen, um Pflegestufe zu erhalten

Es seien zunächst Patienten angeworben worden, bei denen die Erlangung einer Pflegestufe erfolgversprechend war, heißt es in der Anklage. Für die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) beziehungsweise die Bezirksämter seien Patienten „entsprechend instruiert“ und Atteste von Ärzten besorgt worden, „um eine Pflegestufe und möglichst viele Leistungskomplexe zu erhalten“.

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Die Mehrzahl der Patienten „erhielt in Absprache mit diesen nur einen Bruchteil der verschriebenen und abgerechneten Leistungen“, so die Anklage. Stattdessen hätten sie hauswirtschaftliche Leistungen wie Putzarbeiten und zum Teil Bargeld bekommen.

Die Hauptangeklagte erklärte weiter, sie allein sei verantwortlich gewesen für die Abrechnung. An acht bis zehn Patienten sei Geld geflossen – sogenannte Kick-Back-Zahlungen. Es treffe allerdings nicht zu, dass sie Patienten für Begutachtungen instruiert habe. „Das waren Beratungen“, so die gelernte Kauffrau. Ihre Mutter und ihre Schwester erklärten, sie seien in die Abrechnungspraxis nicht eingeweiht gewesen, hätten allerdings Unregelmäßigkeiten bemerkt. Der Prozess wird am 7. Dezember fortgesetzt.