Die Europäische Union hat die von Russland angegriffene Ukraine offiziell in den Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen. Zudem beschlossen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Kollegen am Donnerstag bei einem EU-Gipfel, auch Moldau den Status eines Bewerberlandes zu gewähren, wie Ratspräsident Charles Michel mitteilte. Der Belgier sprach von einem „historischen Moment“. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kommentierte: „Heute ist ein guter Tag für Europa.“
Historic agreement. Historic decision.
— Charles Michel (@CharlesMichel) June 23, 2022
Today, we have decided to grant candidate status to Ukraine and Moldova.
And we are ready to grant candidate status to Georgia once priorities will be addressed.
🇪🇺🇺🇦🇲🇩🇬🇪#EUCO pic.twitter.com/c5JikGSSyE
Georgien, das seinen Antrag zeitgleich mit Moldau Anfang März eingereicht hatte, werde den Kandidatenstatus erhalten „sobald die noch ausstehenden Prioritäten angegangen sind“, schrieb Michel. „Georgiens Zukunft liegt innerhalb der EU“, betonte er. Michel verfasste die Tweets auch in den jeweiligen Landessprachen, auf Ukrainisch, Georgisch und Rumänisch.
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The #EUCO decided to recognize the European perspective of Georgia and is ready to grant candidate status once the outstanding priorities are addressed.
— Charles Michel (@CharlesMichel) June 23, 2022
Congratulations to the Georgian people.
A historic moment in EU-Georgia relations: Georgia's future lies within the EU. 🇪🇺🇬🇪
Mit dem Schritt erkennt die EU die Anstrengungen der beiden Länder um eine EU-Beitrittsperspektive an und will ihnen Mut machen, den Weg entschlossen fortzuführen. Vor allem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte angesichts des russischen Kriegs gegen sein Land zuletzt immer wieder eine solche Botschaft der EU eingefordert – auch um den mehr als 40 Millionen Bürgern seines Landes zu zeigen, dass sich der Kampf für Freiheit und Demokratie lohne. Selenskyj zeigte sich in einem Tweet dankbar für die „historische“ Entscheidung.
Sincerely commend EU leaders’ decision at #EUCO to grant 🇺🇦 a candidate status. It’s a unique and historical moment in 🇺🇦-🇪🇺 relations. Grateful to @CharlesMichel, @vonderleyen and EU leaders for support. Ukraine’s future is within the EU. #EmbraceUkraine https://t.co/o6dJVmTQrn
— Володимир Зеленський (@ZelenskyyUa) June 23, 2022
Scholz: EU muss sich „erweiterungsfähig“ machen
Bundeskanzler Scholz hatte zum Auftakt des EU-Gipfels in Brüssel noch einmal eindringlich dafür geworben, die Ukraine zum Beitrittskandidaten zu machen. Der SPD-Politiker sprach von einem „historischen“ Treffen der Staats- und Regierungschefs, mahnte aber auch Reformen der Europäischen Union an, um die Aufnahme neuer Mitglieder zu ermöglichen. Die EU müsse sich „erweiterungsfähig“ machen, sagte er. Dazu gehöre auch, das Prinzip der Einstimmigkeit für einige Entscheidungen aufzuheben.

Scholz gratulierte der Ukraine und Moldau zur Aufnahme in den Kreis der EU-Beitrittskandidaten. „27 Mal Ja!“, schrieb der Kanzler am Donnerstag auf Twitter. „Der Europäische Rat begrüßt zwei neue Beitrittskandidaten zur EU. Auf gute Zusammenarbeit in der europäischen Familie!“
27 mal Ja! Herzliche Glückwünsche an die #Ukraine und #Moldawien: Der Europäische Rat begrüßt zwei neue Beitrittskandidaten zur EU. Auf gute Zusammenarbeit in der europäischen Familie! #EUCO
— Bundeskanzler Olaf Scholz (@Bundeskanzler) June 23, 2022
Eine Garantie auf eine zügige Aufnahme in die EU ist der Kandidatenstatus nicht. Nach einer Empfehlung der EU-Kommission sollen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau erst dann beginnen, wenn diese weitere Reformauflagen erfüllt haben. Dabei geht es etwa um Justizreformen und eine stärkere Korruptionsbekämpfung.
Dass der Beitrittsprozess auch in einer Sackgasse enden kann, zeigt der Fall Türkei. Das Land hat bereits seit 1999 den Kandidatenstatus. Die 2005 begonnenen EU-Beitrittsverhandlungen liegen allerdings seit Jahren wegen der aus Brüsseler Perspektive unbefriedigenden Entwicklungen in dem Land auf Eis.
Westbalkanstaaten zunehmend frustriert
Zunehmend frustriert sind die ebenfalls auf einen EU-Beitritt hoffenden Westbalkanstaaten. Das EU-Land Bulgarien blockiert seit mehr als einem Jahr die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und Albanien, weil sich Nordmazedonien weigert, auf Forderungen zu den Themen Minderheiten, Geschichtsschreibung und Sprache einzugehen. Versuche, die Blockade rechtzeitig vor einem am Rande des EU-Gipfels organisierten Westbalkan-Treffen zu lösen, scheiterten. Dort waren auch Bosnien-Herzegowina, das Kosovo, Montenegro und Serbien vertreten.
Die Ukraine hatte vor knapp vier Monaten kurz nach Beginn des russischen Angriffs die Aufnahme in die EU beantragt. Kurz darauf reichten auch der kleine Nachbar Moldau sowie das im Südosten Europas gelegene Georgien Beitrittsanträge ein. Das rund 3,7 Millionen Einwohner zählende Georgien soll den Beitrittskandidatenstatus allerdings erst bekommen, wenn es weitere Reformauflagen erfüllt. Es ist nach Einschätzung der EU-Kommission derzeit deutlich instabiler als das rund 2,6 Millionen Einwohner zählende Moldau und die Ukraine.
