Sex-Skandal in Johnson-Partei: Zwei Minister treten aus Protest zurück

Im Zuge des Skandals um sexuelle Belästigung durch ein führendes Tory-Fraktionsmitglied treten Gesundheitsminister Sajid Javid und Finanzminister Rishi Sunak zurück.

Boris Johnson
Boris JohnsonAFP/Dan Kitwood

Aus Protest gegen den britischen Premier Boris Johnson sind Gesundheitsminister Sajid Javid und Finanzminister Rishi Sunak am Dienstag zurückgetreten.

Die Rücktritte erfolgen im Zuge des Skandals um sexuelle Belästigung durch das führende Tory-Fraktionsmitglied Christopher Pincher. Pincher wird beschuldigt, betrunken zwei Männer in einem privaten Mitgliederclub sexuell belästigt zu haben.

Das Problem: Während Johnson seinen Parteifreund Neil Parish, der beim Pornogucken im Sitzungssaal beobachtet worden war, direkt aus dem Parlament drängte, hatte Christopher Pincher seinen Sitz zunächst behalten dürfen. Der bisherige stellvertretende Chef-Einpeitscher („Whip“) von Johnsons Konservativer Partei wurde erst nach heftigen Protesten fürs Erste aus der Fraktion ausgeschlossen, aber nur solange die Ermittlungen laufen. Nicht nur Parish sprach daraufhin von „Doppelmoral“.

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Der Premierminister entschuldigte sich am Abend und sagte, die Berufung von Chris Pincher zum sogenannten Vize-Whip sei ein Fehler gewesen. Er habe in dem Fall aber nicht gelogen, betonte Johnson in der BBC. Die Whips – auf Deutsch wörtlich Peitschen – sollen für Fraktionsdisziplin sorgen. Zuvor hatte Johnsons Sprecher eingeräumt, dass der Premierminister bereits 2019 über Anschuldigungen gegen seinen konservativen Parteifreund Chris Pincher informiert worden sei. Bisher hieß es, Johnson seien keine konkreten Vorwürfe bewusst gewesen.

Javid: Vertrauen in die Regierung verloren

In dem Rücktrittsschreiben Javids an Boris Johnson heißt es: „Wir [die Konservative Partei] waren vielleicht nicht immer beliebt, aber wir waren kompetent darin, im nationalen Interesse zu handeln. Leider kommt die Öffentlichkeit unter den gegenwärtigen Umständen zu dem Schluss, dass wir es jetzt auch nicht sind.“

Die Vertrauensabstimmung im vergangenen Monat habe gezeigt, „dass eine große Zahl unserer Kolleginnen und Kollegen zustimmt“, heißt es in dem Schreiben Javids weiter.„Ich muss leider sagen, dass mir klar ist, dass sich diese Situation unter Ihrer Führung nicht ändern wird und Sie daher auch mein Vertrauen verloren haben.“

Auch Rishi Sunak veröffentlichte sein Rücktrittsgesuch auf Twitter. „Die Öffentlichkeit erwartet zu Recht, dass die Regierung ordnungsgemäß, kompetent und seriös geführt wird“, schrieb er. Und weiter: „Ich bin traurig, die Regierung zu verlassen, aber ich bin widerwillig zu dem Schluss gekommen, dass wir so nicht weitermachen können.“

Mit dem internen Misstrauensvotum hatte Johnson die Partygate-Affäre um illegale Lockdown-Feiern in der Downing Street hinter sich lassen wollen. Wegen der Teilnahme an einer der Partys hatte der Premier persönlich eine Geldstrafe zahlen müssen. Er blieb entgegen den Erwartungen auch innerparteilicher Kritiker dennoch im Amt.

Politiker tritt live im Fernsehen zurück

Am Abend trat auch Bim Afolami, stellvertretender Vorsitzender der Konservativen Partei, live im britischen Fernsehen während eines Interviews zurück. Afolami forderte zudem Boris Johnson zum Abtritt auf, da er durch die Rücktritte der Minister Sunak und Javid „die Unterstützung der Partei und des Landes“ verloren habe.

Rücktritte stürzen Regierung in die Krise

Zwar versicherten umgehend zahlreiche andere Kabinettsmitglieder wie Vizepremier und Justizminister Dominic Raab oder Außenministerin Liz Truss dem Premier ihre Unterstützung. Zudem gilt Johnson als Stehaufmännchen, hat mehrere Skandale überlebt. Aber die Stimmung innerhalb seiner Konservativen Partei ist am Boden. Der Premier müsse zurücktreten, sagte ein Kabinettsmitglied dem Sender Sky News.

Die Opposition frohlockte. „Nach all dem Schmutz, den Skandalen und dem Versagen steht fest, dass diese Regierung jetzt zusammenbricht“, sagte Labour-Parteichef Keir Starmer. Der Oppositionsführer rief weitere Kabinettsmitglieder auf, mit einem Rücktritt ein Zeichen gegen den „pathologischen Lügner“ Johnson zu setzen.

Die Regierungskrise kommt zur Unzeit. Großbritannien kämpft angesichts der immens gestiegenen Lebenshaltungskosten mit einer historischen Krise. Die Inflation ist so hoch wie seit rund 40 Jahren nicht mehr. An diesem Mittwoch senkt die Regierung die Sozialversicherung für Millionen Menschen mit kleineren Einkommen. Johnson hoffte damit auf einen Befreiungsschlag.

(mit dpa)