Trump-Anhänger stürmen das Kapitol in Washington

Trump-Anhänger dringen in den Kongress ein und erzwingen die Unterbrechung der Bestätigung der Wahl. Sprecherin des Weißen Hauses: Nationalgarde ist unterwegs.

Beim Sturm auf das Kapitol kam es zu Zusammenstößen zwischen Trump-Anhängern und der Polizei.
Beim Sturm auf das Kapitol kam es zu Zusammenstößen zwischen Trump-Anhängern und der Polizei.AFP/Joseph Prezioso

Washington-Anhänger von US-Präsident Trump haben die Polizeiabsperrungen vor dem Parlamentssitz in Washington durchbrochen und die Innenräume des Kongresses erreicht. Das berichtete die US-Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf den Sicherheitsdienst des Gebäudes. Auch TV-Bilder zeigten Protestierende im Gebäude. 

Wegen des Ansturms wütender Demonstranten auf das Kapitol wurde die Kongresssitzung zur formellen Bestätigung des Ergebnisses der US-Präsidentschaftswahl unterbrochen. Die Polizei ordnete zudem am Mittwoch die Räumung mehrerer Bürogebäude des Kongresses an. Vor dem Kapitol kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen Anhängern des abgewählten Präsidenten und Sicherheitsleuten. Der Nachrichtenagentur AP zufolge wurde das Kapitol abgeriegelt. 

Die Lage war zunächst unübersichtlich. Auf Bildern des Senders CNN war zu sehen, wie Demonstranten Fensterscheiben zerschlugen und sich so Zugang zum Gebäude verschafften. Auf einem anderen Bild posierte ein Demonstrant im geräumten Senatssaal mit erhobener Faust auf dem Platz des Kammervorsitzenden.

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Anhänger von US-Präsident Donald Trump im Kapitol. 
Anhänger von US-Präsident Donald Trump im Kapitol. AFP/Saul Loeb

Die US-Polizei zückte Schusswaffen, um Abgeordnete im Kapitol gegen militante Trump-Anhänger zu schützen. „Die Sicherheitsleute des Repräsentantenhauses und die Polizei des Kapitols haben ihre Waffen gezogen, während Demonstranten gegen die Eingangstür des Repräsentantenhauses schlagen“, berichtete der Abgeordnete Dan Kildee über den Onlinedienst Twitter. 

US-Medien: Frau durch Schüsse verletzt

Laut US-Medien wurde eine Frau durch Schüsse im Kapitol verletzt. Die Washington Post berichtete die Frau sei an der Schulter getroffen worden. Sie befinde sich in Lebensgefahr, berichtete der Sender CNN. Einem Mitglied der Rettungskräfte zufolge gab es noch „andere Verletzte“.

Der Angeordnete Jim Himes berichtete über Twitter aus dem Kongress, in der Rotunde des Kapitols werde Tränengas eingesetzt. „Die Polizei hat uns aufgefordert, die Gasmasken herauszuholen, während in der Rotunde Tränengas zum Einsatz kam.“ Ein AFP-Fotograf sah eine rauchartige Substanz in dem runden Raum unter der Kuppel des Kapitols innerhalb des Gebäudes, wo hundert oder mehr Demonstranten versammelt waren.

Nach Angaben des Weißen Hauses sollte die Nationalgarde eingesetzt werden. „Auf Anweisung von Präsident Donald Trump ist die Nationalgarde zusammen mit anderen Bundesschutzdiensten unterwegs“, schrieb Trump-Sprecherin Kayleigh McEnany am Mittwoch bei Twitter. 

Ausgangssperre in Washington

Wegen der Proteste ordnete die Bürgermeisterin von Washington, Muriel Bowser, eine Ausgangssperre an. Sie trete am Mittwoch um 18 Uhr (Ortszeit/Mitternacht MEZ) in Kraft und ende am Donnerstagmorgen um 6 Uhr (12 Uhr MEZ), teilte Bowser mit.

Trump hatte in seiner Rede über angeblichen Betrug bei der US-Präsidentenwahl seine Anhänger dazu aufgerufen, zum Kapitol zu ziehen, das den Senat und das Abgeordnetenhaus beherbergt. Bei seiner Rede forderte er Zehntausende anwesende Unterstützer dazu auf, sich den „Diebstahl“ der Wahl nicht gefallen zu lassen.

Protestierende Anhänger von Donald Trump vor dem Kapitol.
Protestierende Anhänger von Donald Trump vor dem Kapitol.AFP/Oliver Douliery

US-Abgeordnete sprechen von „Putschversuch“

US-Abgeordnete warfen den militanten Trump-Anhängern einen „Putschversuch“ vor. „Dies ist Anarchie. Dies ist ein Putschversuch“, erklärte der Abgeordnete Seth Moulton. Der Abgeordnete Val Demings schrieb auf Twitter: „Ein Mob stürmt das US-Kapitol, um eine Wahl zu stürzen. Es findet ein Putsch statt.“ Sein Kollege Mark Pocan warf Trump vor, „Inlandsterrorismus“ zu befördern.

Nach dem Gewaltausbruch riefen zahlreiche Politiker Trump eindringlich auf, die Ausschreitungen sofort zu stoppen. Die ehemalige Kommunikationsdirektorin des Weißen Hauses, Alyssa Farah, schrieb auf Twitter an Trump gerichtet: „Verurteilen Sie das jetzt, Donald Trump - Sie sind der einzige, auf den sie hören werden. Für unser Land!“

Trumps Stellvertreter Mike Pence twitterte: „Friedlicher Protest ist das Recht jedes Amerikaners, aber dieser Angriff auf unser Kapitol wird nicht toleriert werden und jene, die daran beteiligt sind, werden mit der ganzen Härte des Gesetzes zur Verantwortung gezogen.“

Trump appelliert in Video an Demonstranten: Geht friedlich nach Hause

Trump rief seine Anhänger auf Twitter auf, bei ihrem Protest friedlich zu bleiben und Polizei und Sicherheitskräfte zu unterstützen. In einem weiteren Tweet schrieb Trump: „Keine Gewalt!“ Später forderte er in einer auf Twitter verbreiteten Videobotschaft die Demonstranten am Kapitol auf, friedlich nach Hause zu gehen. Er verstehe den Ärger über den Ausgang der Wahl, aber „wir müssen Frieden haben, wir müssen Recht und Ordnung haben“ und die Sicherheitskräfte respektieren, sagte Trump. Niemand dürfe verletzt werden, mahnte er. 

Biden verurteilt „beispiellosen Angriff“ auf US-Demokratie

Der gewählte Präsident Joe Biden hatte zuvor Trump aufgerufen, sich in einer Fernsehansprache an die Nation zu wenden. Trump müsse eine Ansprache halten, um seinem Eid nachzukommen und die Verfassung zu verteidigen, sagte Biden in Wilmington (Delaware).

Biden verurteilte die Erstürmung des Kongressgebäudes in Washington als „beispiellosen Angriff“ auf die US-Demokratie. Die Gewalt am Kapitol „grenzt an Aufruhr“, sagte Biden.

Mehrere Republikaner kündigen Einspruch gegen Wahlergebnisse an

Das US-Repräsentantenhaus und der Senat waren am Mittwoch in Washington zu einer gemeinsamen Sitzung zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Joe Biden bei der US-Präsidentschaftswahl offiziell zu bestätigen. Dies ist üblicherweise eine Formalie im Nach-Wahl-Prozedere der Vereinigten Staaten. Diverse Republikaner aus beiden Kongresskammern hatten jedoch angekündigt, Einspruch gegen die Resultate aus mehreren US-Bundesstaaten einzulegen - angetrieben durch Trumps unbelegte Betrugsbehauptungen.

Gleich zu Beginn der Sitzung der beiden Kongresskammern legten dann auch republikanische Abgeordnete Einspruch ein - und zwar gegen die Anerkennung des Ergebnisses im US-Staat Arizona. Der Einspruch zwang die beiden Kongresskammern dazu, sich zu getrennten Sitzungen zurückziehen, um die Einwände bis zu zwei Stunden lang zu debattieren und am Ende abzustimmen, ob sie diesen folgen oder nicht.

Aussicht auf Erfolg hat die politische Störaktion nicht. Beide Kongresskammern müssten einem Einspruch zustimmen, was angesichts der Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus als ausgeschlossen gilt.

Pence will nicht einseitig Stimmen von Wahlleuten ablehnen

Unmittelbar vor Bestätigung der Ergebnisse der US-Präsidentenwahl im Kongress hatte der abgewählte Amtsinhaber Donald Trump seinen Stellvertreter Mike Pence aufgerufen, das Ergebnis noch zu kippen. Der Vizepräsident solle bei der Sitzung des Parlaments einschreiten, forderte Trump. „Wenn Mike Pence tut, was richtig ist, werden wir die Wahl gewinnen“, sagte Trump. Pence solle die Ergebnisse ablehnen und an die Bundesstaaten zurücksenden, sagte er. Das Gesetz sieht für Pence bei der Sitzung im Kongress jedoch nur eine zeremonielle Rolle vor.

Pence erklärte aber, dass er bei der Sitzung des Kongresses zur Zertifizierung der Ergebnisse der Präsidentenwahl nicht einseitig Stimmen von Wahlleuten ablehnen werde. Sein Eid zum Schutz der Verfassung erlaube ihm das nicht, teilte Pence kurz vor Beginn der Sitzung mit, die er als Präsident des Senats leitete.

Trump warf seinem Stellvertreter deswegen mangelnden Mut vor. Pence „hat nicht den Mut gehabt zu tun, was getan werden sollte“, schrieb Trump auf Twitter.

Der Demokrat Joe Biden hat sich bei der Wahl im November klar gegen Trump durchgesetzt und soll am 20. Januar als neuer US-Präsident vereidigt werden. Trump jedoch nährt bei seinen Unterstützern seit Wochen ohne Beweise die Legende, er sei durch massiven Wahlbetrug um eine zweite Amtszeit gebracht worden. Dutzende entsprechende Klagen Trumps wurden von US-Gerichten abgeschmettert.