Ein britischer Parlamentsbericht hat schwere Kritik am Abzug der Nato-Streitkräfte aus Afghanistan vergangenen Sommer geübt. Die Abgeordneten schrieben in dem am Dienstag veröffentlichten Bericht: „Die Durchführung unseres Abzugs aus Afghanistan hat sich als Desaster und Verrat an unseren Verbündeten erwiesen, der die Interessen des Vereinigten Königreichs für die kommenden Jahre schädigen wird.“
Nach der Entscheidung der USA zum Abzug ihrer Truppen hatten sich auch die Streitkräfte der übrigen Verbündeten - darunter auch die Bundeswehr - zur Evakuierung entschlossen. Allerdings überrumpelte der rasche Vormarsch der radikalislamischen Taliban die westlichen Mächte, die am Ende trotz einer dramatischen Luftbrücke aus Kabul zehntausende Flüchtlinge in dem Land zurückließen.
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„Die britische Seite in dieser Tragödie offenbart einen Mangel an ernsthafter Koordination, einen Mangel an klaren Entscheidungen, einen Mangel an Führung und einen Mangel an Verantwortung“, erklärte der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, der konservative Abgeordnete Tom Tugendhat. Er prangerte „schweres Systemversagen im Herzen der britischen Außenpolitik“ an und griff damit seinen Parteifreund und damaligen Außenminister Dominic Raab direkt an.
Die Regierung von Premierminister Boris Johnson habe zudem „bestenfalls absichtlich ausweichend und oft absichtlich irreführend“ auf die Fragen des Parlamentsausschusses geantwortet. „Das Parlament kann die Regierung nur dann zur Verantwortung ziehen, wenn es darauf vertrauen kann, dass es ehrliche Antworten auf seine Fragen erhält“, betonten die Abgeordneten.
Der Bericht forderte die Regierung auf, so schnell wie möglich wieder diplomatische Beziehungen zu den in Afghanistan herrschenden Taliban aufzunehmen. „Versuche, das neue Regime vollständig zu isolieren, schaden dem afghanischen Volk nur und können ein Vakuum hinterlassen, das von China gefüllt werden wird“, hieß es zur Begründung.