Bundesgerichtshof: Antisemitisches Schmährelief in Wittenberg darf bleiben

Das als „Judensau“ bekannte Schmährelief an der Wittenberger Stadtkirche muss nicht entfernt werden. So begründet der BGH seine Entscheidung.

Eine als „Judensau“ bezeichnete Schmähplastik ist an der Stadtkirche in Wittenberg in Sachsen-Anhalt zu sehen.
Eine als „Judensau“ bezeichnete Schmähplastik ist an der Stadtkirche in Wittenberg in Sachsen-Anhalt zu sehen.dpa/Hendrik Schmidt

Wittenberg-Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass ein antisemitisches Schmährelief an der Wittenberger Stadtkirche bleiben darf. Die Plastik ist unter dem Namen „Judensau“ bekannt und prangt seit dem 13. Jahrhundert an der Außenfassade der Kirche. Sie zeigt eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen saugen, die durch ihre Spitzhüte als Juden interpretiert werden. Eine dritte Person, die laut BGH ein Rabbiner sein soll, hebt den Schwanz der Sau an.

„Fehlende Rechtsverletzung“

Der BGH hat seine Entscheidung gegen eine Entfernung der Skulptur am Morgen des 14. Juni mit einer fehlenden Rechtsverletzung begründet. Die Beklagte (die Stadtkirche) habe sich mit einer Bodenplatte und einem Aufsteller erfolgreich vom antisemitischen Inhalt des Reliefs distanziert. Die Skulptur wird auf dem laut Gericht nicht zu übersehenden Schrägaufsteller als „Mahnmal“ bezeichnet. In der Gesamtbetrachtung sei der rechtsverletzende Zustand des Reliefs dadurch aufgehoben, und es bestehe kein Anspruch auf Entfernung. Zuvor hatten bereits Richter in Naumburg entschieden, dass die Skulptur nicht abgenommen werden muss, weil sie seit 1988 (als Bodenplatte und Aufsteller angebracht wurden) in ein Gedenkensemble eingebunden sei.

Ein 79 Jahre altes Mitglied der jüdischen Gemeinde hatte versucht, durch eine Klage die Abnahme des Reliefs zu erwirken, durch das der Mann sich und das Judentum diffamiert sah. Die Plastik gehöre, so Kläger Dietrich Düllmann, in ein Museum und nicht an die Außenwand der Kirche. Düllmann ist laut eigenen Angaben 1979 zum Judentum konvertiert und bereit, nun auch vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Wo möglich ist der Rechtsstreit also noch nicht erledigt.

Präsident des Zentralrat der Juden gegen Entfernung

Gegen eine Entfernung des Reliefs sprach sich der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, aus. Schuster sagte der Deutschen Presse Agentur, es sei besser, die Skulptur zu erklären. Die Kirche müsse sich klar abgrenzen und ihre Verurteilung der Plastik zum Ausdruck bringen. Bisher sei das nicht ersichtlich. Die „antijudaistische Geschichte“ der Kirche lasse sich nicht ungeschehen machen. Die Schmähplastik einfach abzunehmen, bedeute, diesen Teil ihrer Historie zu verleugnen. Ähnliche Bildwerke waren im Mittelalter verbreitet. Laut ungesicherten Informationen des Zentralrats existieren noch etwa 50 weitere ähnliche Bildwerke.