Karlsruhe-Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass eine mit 16 oder 17 im Ausland abgeschlossene Ehe nicht automatisch aufgehoben werden muss. Der von Juli stammende Beschluss wurde am Freitag veröffentlicht. Nach dem seit 2017 geltenden Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen ist eine vor dem 16. Geburtstag eingegangene Ehe unwirksam, eine vor dem 18. Geburtstag geschlossene wiederum „kann aufgehoben werden“. Vorher waren Eheschließungen ab 16 erlaubt, wenn das Einverständnis der Erziehungsberechtigten vorlag.
Aufgrund der neuen Bestimmungen hätten Behörden einen Ermessensspielraum, so der BGH. Gerichte können demnach ausnahmsweise von einer Eheaufhebung absehen, „wenn feststeht, dass die Aufhebung in keiner Hinsicht unter Gesichtspunkten des Minderjährigenschutzes geboten ist, sondern vielmehr gewichtige Umstände gegen sie sprechen“. Im konkreten Fall ging es um eine heute 35-Jährige, die 2001 im Libanon mit 16 einen damals 21-Jährigen geheiratet hatte. Die beiden lebten dann mehr als zehn Jahre zusammen in Berlin und haben in Deutschland geborene gemeinsame Kinder. 2016 trennte sich das Paar, die Frau lebt inzwischen mit einem neuen Lebensgefährten zusammen.
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2018 gab sie gegenüber dem Standesamts an, die Ehe nicht fortführen zu wollen. Den Antrag des Amtes, diese aufzuheben, lehnten sowohl das zuständige Amts- als auch das Kammergericht in Berlin ab. „Eine Eheaufhebung würde mithin in krassem Gegensatz zu der langjährig bewusst im Erwachsenenalter gelebten Familienwirklichkeit stehen“, so der BGH nun. Der Frau stehe stattdessen der Weg der Scheidung offen.
Dem BGH zufolge ist auch das generelle Verbot einer unter 14 Jahren im Ausland rechtmäßig und freiwillig geschlossenen Kinderehe fragwürdig. 2018 legte er daher den Fall eines 2015 nach Deutschland geflohenen Paars aus Syrien dem Bundesverfassungsgericht vor. Dieses will voraussichtlich noch in diesem Jahr über den Fall entscheiden.