Bundesregierung: Angriffe auf AKW Saporischschja „neue Qualität im Krieg“

Raketenangriffe auf das größte Atomkraftwerk in Europa wecken Befürchtungen einer nuklearen Katastrophe. Die Lage in der Region werde immer gefährlicher.

Regierungssprecherin Christiane Hoffmann hat sich besorgt über die Angriffe auf das ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja geäußert.
Regierungssprecherin Christiane Hoffmann hat sich besorgt über die Angriffe auf das ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja geäußert.dpa/Wolfgang Kumm

Die Bundesregierung hat sich erneut besorgt über Angriffe auf das Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine gezeigt. Diese Angriffe zeugten von einer „neuen Qualität in diesem Krieg“, sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag in Berlin. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte unterdessen den tschechischen Vorstoß für ein EU-weites Verbot von Einreise-Visa für russische Staatsbürger.

Die Lage rund um das Akw Saporischschja wird nach Angaben des örtlichen Bürgermeisters immer gefährlicher. Das Risiko einer atomaren Katastrophe im größten Kernkraftwerk Europas „wächst jeden Tag“, hatte der Bürgermeister von Enerhodar, wo sich das Akw befindet, am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP gesagt. Die russische Armee beschieße „die Infrastruktur, die den sicheren Betrieb des Kraftwerks sicherstellt“, fügte Dmytro Orlow hinzu.

Die russische Armee hält das Atomkraftwerk im Südosten der Ukraine seit März besetzt, in den vergangenen Tagen wurde es wiederholt beschossen. Kiew und Moskau machen sich gegenseitig für die Angriffe verantwortlich. Der Raketenbeschuss weckt Befürchtungen einer nuklearen Katastrophe.

Anzeige | Zum Weiterlesen scrollen

G7-Staaten fordern Russland auf, das Atomkraftwerk zu verlassen

Hoffmann verwies darauf, dass die Außenminister der G7-Staaten bereits am vergangenen Mittwoch ihre Unterstützung für die Bemühungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) erklärt hatten, das Kernkraftwerk zu sichern. Die G7 hatten auch die russischen Truppen aufgefordert, das Akw zu verlassen. Über Reaktionen aus Moskau auf diesen Appell sei ihr jedoch „im Moment nichts bekannt“, sagte die Regierungssprecherin.

Das Akw Saporischschja ist bereits seit Anfang März von russischen Truppen besetzt, die es wenige Tage nach Beginn ihrer Invasion der Ukraine unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Die IAEA bemüht sich seitdem, Experten nach Saporischschja zu entsenden, bisher ohne Erfolg.

EU-Reiseverbot für alle Russen

Selenskyj begrüßte unterdessen Tschechiens Vorstoß zu einem Visa-Verbot für russische Bürger. Die Diskussion über einen entsprechenden Vorschlag der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft werde „Tag für Tag intensiver“, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache.

Tschechien will den EU-Mitgliedstaaten einen Reisebann für alle Russinnen und Russen vorschlagen. „Der pauschale Stopp russischer Visa durch alle EU-Mitgliedstaaten könnte eine weitere sehr wirksame Sanktion sein“, hatte der tschechische Außenminister Jan Lipavsky am Freitag erklärt. Er werde den EU-Außenministerinnen und -ministern diesen Vorschlag bei einem informellen Treffen in Prag Ende August vorlegen.

Tschechien vergibt bereits seit dem ersten Tag nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine keine Visa mehr an russische Bürger. Auch die Regierungschefin von Estland, Kaja Kallas, hatte Brüssel vor kurzem aufgefordert, die Einreise von Russen in die EU zu stoppen. „Europa zu besuchen ist ein Privileg, kein Menschenrecht“, erklärte sie.

Einreise-Verbot für Russen: Bundeskanzler Olaf Scholz hält sich bedeckt

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich zurückhaltend zu Vorschlägen zu einem Visa-Bann für russische Staatsbürger gezeigt. „Das ist Putins Krieg“, sagte er im Hinblick auf mögliche Einreiseverbote. Deshalb tue er sich mit diesem Gedanken „sehr schwer“.

Scholz wies darauf hin, dass es bereits Einreiseverbote und weitere Sanktionen gegen Menschen aus dem Umfeld der russischen Führung gebe. Dagegen würde sich ein genereller Visa-Bann auch gegen „ganz Unschuldige“ richten.