Chinas Aufruf zum Waffenstillstand in der Ukraine: Das sind die Reaktionen

China legt ein Positionspapier zur Beilegung des Ukraine-Kriegs vor. Experten sind überwiegend enttäuscht. Kiew sieht darin eine „Propaganda-Aktion“.

Russlands Präsident Wladimir Putin mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping.
Russlands Präsident Wladimir Putin mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping.Pool Sputnik Government/AP

Nachdem China am Freitag einen 12-Punkte-Plan zur „politischen Lösung der Ukraine-Krise“ vorgelegt hat, fallen die Reaktionen auf das Papier überwiegend ernüchtert aus. Diplomaten und Experten reagierten skeptisch und bemängelten, das Dokument ließe keine neue Initiative erkennen. Der bekannte russische Außenpolitiker Leonid Sluzki nannte den Plan in seinem Telegram-Kanal „ausgewogen“. Auch die Bundesregierung hat sich bereits geäußert.

Das Papier wurde zum Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine veröffentlicht. Peking mahnt darin vor allem zu Zurückhaltung auf beiden Seiten und fordert eine Wiederaufnahme der Verhandlungen. Wie genau eine diplomatische Lösung in der Ukraine aussehen könnte wird in dem Schriftstück nicht thematisiert. Auch auf die Frage, inwiefern sich Russland zunächst aus dem völkerrechtswidrig angegriffenen Land zurückziehen sollte, gibt die Führung unter Präsident Xi Jinping keine Antwort.

Kiew: 12-Punkte-Papier ist „Propaganda-Aktion“

Die Ukraine selbst hat die Vorschläge Chinas als „Propaganda-Aktion“ verurteilt, wie Olexander Mereschko, Leiter des Auswärtigen Ausschusses im Parlament am Freitag zu verstehen gab. Der angebliche Friedensplan sei lediglich eine Ansammlung „leerer Losungen“.

Auch Mychajlo Podoljak, Berater im ukrainischen Präsidentenbüro und enger Vertrauter Wolodymyr Selenskyjs, lehnte das Positionspapier ab. Ein Friedensplan, der die Abtretung oder weitere Besetzung ukrainischer Gebiete an Russland vorsehe, bedeute keinen Frieden, schrieb Podoljak am Freitag bei Twitter. Chinas Plan bedeute letztlich ein Einfrieren des Krieges, eine ukrainische Niederlage sowie die nächste Stufe eines von Russland verübten „Völkermordes“.

Stoltenberg: Irgendwann wird der Krieg am Verhandlungstisch enden

Die Bundesregierung begrüßte es grundsätzlich, dass China als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats „eigene Ideen vorgestellt hat“, wie Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner am Freitag sagte. China müsse seine Ideen aber direkt mit der Ukraine besprechen. „Nur so kann eine ausgewogene Lösung gefunden werden, die die legitimen Interessen der Ukraine berücksichtigt.“ Der Frage, ob Deutschland selbst einen russischen Rückzug zur Bedingung für Verhandlungen machen würde, wich Büchner aus – diese Entscheidung wolle man der Ukraine überlassen.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) übte deutlichere Kritik. „Wer von Frieden spricht, darf nicht Unterwerfung meinen. Wer Aggressor und Opfer gleichsetzt, schafft keinen Frieden, sondern belohnt Gewalt“, sagte Baerbock am Rande einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York. „Das wäre der Weg in eine andere Weltordnung, wo das Recht des Stärkeren gilt.“

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg räumte ein, der Krieg werde wohl irgendwann am Verhandlungstisch enden, bekräftigte aber zugleich die Notwendigkeit weiterer Waffenlieferungen an die Ukraine. Wenn man eine Verhandlungslösung wolle, bei der das Land als souveräne, unabhängige Nation bestehen bleibe, müsse man es auch militärisch unterstützen. Nur so könne man die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Putin erkenne, dass er auf dem Schlachtfeld nicht gewinnen werde. Dementsprechend sei das Dokument „nicht sehr glaubwürdig“.

Sicherheitsexperte: Chinas Ukraine-Papier ist „substanzlos“

Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte in Brüssel, Chinas Position beruhe auf einem falschen Fokus auf den sogenannten legitimen Sicherheitsinteressen beider Kriegsparteien. „In dem Positionspapier wird nicht berücksichtigt, wer der Aggressor und wer das Opfer eines illegalen, ungerechtfertigten Angriffskrieges ist“, sagte die Sprecherin. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) betonte, man müsse sich das Dokument auch vor dem Hintergrund anschauen, dass China in der Vergangenheit bereits für Russland Partei ergriffen habe. 

Experten übten mitunter schärfere Kritik an dem Papier. Wolfgang Ischinger, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, erklärte auf Twitter, Chinas Plan sei „selbst dann eine Enttäuschung, wenn die Erwartungen von vorn herein nicht hoch waren“. Als positiv könne man lediglich hervorheben, dass Peking darin erneut vor dem Einsatz von Atomwaffen warne.

Politikwissenschaftler Joachim Krause nannte den 12-Punkte-Plan „substanzlos“. Das Dokument sei kein Friedensplan, „sondern die Auflistung allgemeiner Prinzipien des Völkerrechts und der Diplomatie, an die sich China selber nicht hält und deren Verstöße durch Russland für Peking offenkundig kein Problem darstellen“, wie der Direktor des Kieler Universitätsinstituts für Sicherheitspolitik dem Nachrichtenportal t-online sagte.

Blinken: Russland würde Waffenstillstand nur für Aufrüstung nutzen

US-Außenminister Antony Blinken warnte vor einem „vorübergehenden oder bedingungslosen Waffenstillstand“ im Krieg gegen die Ukraine. „Russland wird jede Kampfpause nutzen, um die Kontrolle über das illegal eroberte Gebiet zu festigen und seine Streitkräfte für weitere Angriffe aufzustocken“, sagte Blinken am Freitag bei einem Treffen des UN-Sicherheitsrats zum Jahrestag des russischen Einmarsches in die Ukraine.

Die Mitglieder des Sicherheitsrates sollten sich daher nicht von Forderungen nach einem Waffenstillstand täuschen lassen, sagte Blinken. Der US-Außenminister erwähnte China in seiner Rede nicht namentlich - seine Äußerungen dürften aber als Reaktion auf ein von China vorgelegtes Positionspapier zur Beilegung des Ukraine-Krieges zu verstehen sein.