Krankenstand 2021: Berliner hatten mehr Probleme mit der Psyche als mit Corona

Isolation, Existenzängste, Perspektivlosigkeit: Die psychischen Folgen der Pandemie haben die Menschen in Berlin mehr belastet als die Krankheit selber. 

Wenig Gesellschaft, Angst vor Ansteckung oder eine tatsächliche Covid-Erkrankung: All das kann psychische Folgen nach sich ziehen. 
Wenig Gesellschaft, Angst vor Ansteckung oder eine tatsächliche Covid-Erkrankung: All das kann psychische Folgen nach sich ziehen. Sebastian Gollnow/dpa

Psychische Erkrankungen haben 2021 in Berlin zu den meisten Fehltagen von Beschäftigten geführt. Die Krankheitstage wegen psychischer Erkrankungen stiegen in den Jahren 2019 bis 2021 in Berlin und Brandenburg deutlich an, wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Gesundheitsbericht hervorgeht. In Brandenburg lagen allerdings Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems weiter auf Platz eins im Corona-Jahr 2021.

Zeitgleich sank die Zahl der Fehltage wegen Atemwegserkrankungen von 2020 auf 2021 deutlich. Auch insgesamt waren die Beschäftigten in Berlin und Brandenburg 2021 seltener krankgeschrieben als im Vorjahr. Der Krankenstand - also der Anteil der durchschnittlich pro Kalendertag arbeitsunfähigen Erwerbstätigen - lag in der Hauptstadt bei 4,6 Prozent. In den Jahren zuvor hatte der Wert immer um die 5 Prozent gelegen. In Brandenburg sank der Krankenstand leicht auf 6,3. 2020 hatte er bei 6,5 gelegen.

„Es ist davon auszugehen, dass der allgemeine Rückgang des Krankenstandes zu großen Teilen eine Folge der Hygienemaßnahmen im Zuge der COVID-19-Pandemie war“, hieß es. „Insbesondere der deutliche Rückgang der Atemwegserkrankungen in beiden Bundesländern ist darauf zurückzuführen.“

Kaum Corona-Krankschreibungen in den Jahren 2020 und 2021

Corona-Erkrankungen schlagen sich bei den Krankschreibungen 2020 und 2021 noch nicht stark nieder. 2021 sei bei 1,4 Prozent der Brandenburger und bei 1,1 Prozent der Berliner Krankschreibungen eine Covid-19-Infektion als Ursache aufgeführt, heißt es in dem Bericht. Die Diagnose Covid-19 wurde allerdings erst im Berichtszeitraum eingeführt, so dass vermutlich nicht alle Covid-19-Fälle als solche erfasst wurden.

Zu Beginn der Pandemie hätten sich zudem vor allem ältere Menschen im Rentenalter mit Corona infiziert. Menschen im Erwerbsalter seien erst später in größerem Umfang an Covid-19 erkrankt. „'22 dürfte es wahrscheinlich ein Stückchen nach oben gehen“, sagte Kai Bindseil, Abteilungsleiter Gesundheitswirtschaft bei Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie.

Nicht alle Berufsgruppen waren von der Corona-Pandemie gleichermaßen betroffen. „Vor allem für Beschäftigte im Gesundheitswesen und der Pflege war die Bekämpfung der Pandemie mit außergewöhnlich hohen Belastungen verbunden“, sagte der Staatssekretär im brandenburgischen Gesundheitsministerium, Michael Ranft.

So stieg auch der Anteil von Corona-Erkrankungen an den anerkannten Berufskrankheiten 2021 enorm an. 2020 wurden insgesamt rund 37.200 Fälle von Berufskrankheiten anerkannt, ungefähr die Hälfte davon waren Covid-19-Erkrankungen. 2021 stieg dieser Anteil laut Bericht noch mal auf 80 Prozent. „Das bereitet uns schon große Unruhe, der rasante Anstieg anerkannter Berufskrankheiten und neuer Erwerbsminderungsrenten gerade aufgrund einer Covid-19-Infektion“, sagte Ranft.

Long-Covid: Betroffene fallen besonders lange aus

Auch mit Blick auf Long und Post Covid erwarte man, dass die Zahlen 2022 „deutlich nach oben gehen“, sagte Bindseil. 2020 und 2021 seien die Erkrankungen nur bei wenigen Menschen Grund für Fehltage gewesen. Allerdings fallen Betroffene besonders lange aus. So dauerte eine Krankschreibung wegen Post Covid im Jahr 2021 in Berlin im Durchschnitt 46,7 und in Brandenburg 35,9 Tage.

Nach Ansicht von Susanne Hertzer, Leiterin der Techniker Krankenkasse in Berlin und Brandenburg, ist genau das das Problem. Es sei nicht die Anzahl der Fälle, die erschreckend sei, sagte sie. Die Dauer der Krankheit allerdings sollte aufhorchen lassen. „Und auch, dass wir eigentlich im Moment noch mehr Fragen als Antworten haben.“

Gesundheit: Wichtig ist die Prävention

Wichtig in Sachen Gesundheit sei auch die Prävention. Dazu gehören nach Ansicht der Präsentierenden Reformen im Gesundheitssystem, betriebliches Gesundheitsmanagement, aber auch die Eigeninitiative der Menschen. „Wenn Sie sich krank fühlen und wenn Sie Fieber haben, dann gehören Sie auch im Home Office nicht an Ihren Arbeitsplatz“, sagte Hertzer.

Für den Bericht wurden vom „Cluster Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg - Health Capital“ Daten von 82 Prozent der sozialversicherungspflichtig Versicherten in der Region betrachtet. Die Aufgabe des Clusters ist es, den „Masterplan Gesundheitsregion“ der Landesregierungen von Berlin und Brandenburg umzusetzen.