Mehr Impf-Nebenwirkungen als offiziell bekannt? Charité distanziert sich von Studie

Eine Untersuchung des Charité-Professors Harald Matthes sorgt für Wirbel. Er hält die Fälle schwerer Corona-Impfnebenwirkungen für massiv untererfasst. Die Charité winkt ab.

Ein Sanitäter bereitet eine Corona-Impfung vor (Symbolbild).
Ein Sanitäter bereitet eine Corona-Impfung vor (Symbolbild).dpa/Julian Stratenschulte

Die Berliner Charité distanziert sich von einer umstrittenen Untersuchung zu Nebenwirkungen von Corona-Impfungen. Studienleiter Professor Harald Matthes hatte darin die These aufgestellt, dass die Zahl schwerer Komplikationen nach Corona-Impfungen womöglich 40 Mal höher sei, als vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) offiziell angegeben wird.

Die Charité will nun nicht mehr, dass diese Behauptung in ihrem Namen verbreitet wird. Das Klinikum nehme „die Studie vom Anthroposophie-Professor Matthes“ aus dem Internet und unterziehe sie einer umfassenden Qualitätsprüfung, berichtet der Berliner Linke-Abgeordnete Tobias Schulze auf Twitter.

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Er beruft sich dabei auf die Berliner Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne). Die Charité hatte bereits erklärt, dass es sich nicht um die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie handele – sondern nur „um eine noch nicht einmal abgeschlossene offene Internetumfrage“.

Corona-Impfung: Schwere Nebenwirkungen bei acht von 1000 Geimpften?

Untersuchungsleiter Matthes ist Stiftungsprofessor für anthroposophische Medizin an der Charité sowie Präsident der Deutschen Akademie für Homöopathie und Naturheilkunde. Er hatte Anfang Mai dem MDR gesagt: „Angesichts von etwa einer halben Million Fällen mit schweren Nebenwirkungen nach Covid-Impfungen in Deutschland müssen wir Ärzte tätig werden.“ Acht von 1000 Geimpften würden mit schweren Nebenwirkungen kämpfen – etwa mit Herzmuskelentzündungen.

Studie zu Impf-Nebenwirkungen: Rasche Verbreitung in „Querdenker“-Kreisen

Matthes’ Behauptungen verbreiteten sich rasch in den Medien und in „Querdenker“-Kreisen. Sie wurden tausendfach auf Twitter und Telegram geteilt. Doch Charité-Sprecher Markus Heggen weist gegenüber dem ZDF auf methodische Schwächen von Matthes’ Arbeit hin: Die Datenbasis reiche nicht aus, „um konkrete Schlussfolgerungen über Häufigkeiten in der Gesamtbevölkerung zu ziehen und verallgemeinernd zu interpretieren“.

Auch der Impfstoff-Forscher Leif-Erik Sander von der Berliner Charité äußerte Kritik. Er sagte gegenüber ZDF-heute: „Außerdem kann sich bei der Studie jeder online anmelden, die Identität wird nicht verifiziert, dadurch kann es leicht zu Verzerrungen kommen.“

Die angeblichen Studienergebnisse von Matthes werden in den sozialen Netzwerken auch zusammen mit einen Artikel über einen ehemaligen Vorstand der Krankenkasse BKK Provita verbreitet.

Dieser hatte im Februar ebenfalls dem PEI unterstellt, zu wenige Fälle von Impfnebenwirkungen zu registrieren. Der Streit darum führte schließlich zur Entlassung von BKK Provita-Vorstand Andreas Schöfbeck. Auf Twitter vergleichen Nutzer nun bereits den Fall Schöfbeck mit dem Fall Matthes an der Charité.

(mit dpa)