Missstände in Berliner Impfzentren: Bekamen Ärzte 720 Euro fürs Nichtstun?
Ärzte sollen laut einem Bericht für abgesagte Dienste abkassiert haben. Weitere Vorwürfe betreffen die Bevorzugung von Angehörigen beim Impfen und Trunkenheit im Dienst.

Ungerechtfertigte Honorarzahlungen, Schummeleien bei der Vergabe von Impfterminen und alkoholisierte Mediziner: Einem Medienbericht zufolge soll es in Berliner Impfzentren regelmäßig massives Fehlverhalten von Ärzten gegeben haben. Wie das Nachrichtenmagazin Spiegel unter Berufung auf Dokumente der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin berichtet, sollen von Januar bis November 2021 rund 150 Fälle dokumentiert worden sein, die auf erhebliche Missstände hindeuten. Angeblich seien Vorschriften ignoriert, Kollegen und Patienten beschimpft, Angehörige bei Impfungen bevorzugt und Gelder fürs Nichtstun in Rechnung gestellt worden.
So sollen sich Ärzte nicht nur untereinander lukrative Dienste zugeschanzt haben, bei denen es für eine Sechs-Stunden-Schicht 720 Euro gegeben haben soll. Sie sollen oft sogar dann bezahlt worden sein, wenn ihr Einsatz ausfiel, so der Spiegel-Bericht. Für Dienste, die ein bis zwei Wochen vorher abgesagt wurden, habe es eine Ausfallentschädigung von 300 Euro gegeben. Für Ausfälle, die bis zu 48 Stunden vor Dienstbeginn kommuniziert wurden, erhielten die Ärzte angeblich 500 Euro. Bei noch kurzfristigeren Absagen konnte laut Spiegel sogar das volle Honorar kassiert werden.
Insgesamt wurden laut den Dokumenten der KV mehr als 4600 Dienste bis zu zwei Wochen vorher abgesagt. Die Kosten für die Ausfallhonorare dürften laut den Schätzungen bei mindestens zwei Millionen Euro gelegen haben, hieß es.
Vorwurf: Ärztin verwehrte Corona-Impfung, um sich selbst zu impfen
Die Auflistung der KV soll noch mehr brisante Vorfälle dokumentieren. Immer wieder hätten Mediziner eigene Angehörige bei den Impfterminen vorgezogen oder diese einfach zwischendurch geimpft. Eine Ärztin soll laut Spiegel 32 Personen privat geimpft haben, ohne das mit der Einsatzleitung abzusprechen. Derartiges Fehlverhalten sei angeblich im Laufe der Monate regelmäßig vorgekommen. Eine andere Ärztin habe in einem Heim einem Bewohner die Impfung verwehrt, „um sich erst einmal selbst zu impfen“.
In weiteren Berichten an die KV heißt es angeblich, dass Mediziner alkoholisiert gewirkt hätten. Andere hätten Koordinationsschwierigkeiten oder zittrige Hände gehabt. Einer dieser Ärzte habe eine voll aufgezogene Spritze fallenlassen – „und diese dann an einem Patienten verimpft“. Obwohl die sterile Kanüle auf dem Boden lag, habe er die Spritze nicht ausgetauscht. Außerdem wurde beklagt, dass einigen Diensthabenden eine deutsche Approbation oder die nötige Erfahrung für den Job gefehlt habe.
Ein Arzt soll „deutliche Zeichen einer Altersdemenz“ gehabt haben. Laut den dokumentierten Schilderungen habe er seine persönlichen Gegenstände nach der Ankunft auf drei Spinde verteilt und sie nach Dienstschluss nicht wiedergefunden. Am wichtigsten sei ihm die eigene Impfung gewesen. Als diese ihm mit Verweis auf die Regeln verweigert wurde, habe er einen Wutausbruch bekommen.
