Die Zahl der Zugverspätungen bleibt auf einem hohen Niveau: Zwei von fünf Fernzügen kamen im Juli unpünktlich. Im Januar hingegen waren es lediglich 19,1 Prozent, berichtet das ZDF.
Nach Angaben der Deutschen Bahn kamen im Vormonat 11,3 Prozent aller Züge mindestens sechs Minuten später als die Ankunftszeit vorgesehen hatte. Im Regionalverkehr waren es 10,4 Prozent, während im Fernverkehr 40,1 Prozent errechnet wurden.
DB-Chef Lutz: Überrascht von der schnell gestiegenen Zug-Nachfrage
Die Deutsche Bahn nennt dafür zwei Ursachen: Derzeit gebe es viele Baustellen, die unter anderem Umleitungen erfordern. Zudem sorge die „sehr hohe Auslastung der Züge und der zentralen Schienenwege“ für erhebliche Verzögerungen. Konzernchef Richard Lutz gab an, von der schnell gestiegenen Nachfrage nach Ende der Corona-Beschränkungen überrascht gewesen zu sein.
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Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die ein tiefergehendes Problem konstatieren: „Wir haben seit 30, 40 Jahren die längst überfällige Verkehrswende beziehungsweise die Stärkung der Schiene vernachlässigt und müssen jetzt dringend umsteuern“, sagt Andreas Knie, Mobilitätsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.
Gegenüber der Verkleinerung des Schienennetzes haben Personen- und Güterverkehr seit 1995 deutlich zugenommen. Dadurch entstand eine Konzentration der Zugreisenden auf den verbliebenen Strecken und Fahrzeugen. Besonders in den westlichen und südlichen Regionen Deutschlands ist eine zunehmende Überlastung zu erkennen. Laut Philipp Kosok, Mobilitätsforscher beim Thinktank Agora Verkehrswende, gehen von drei Gebieten die meisten Verspätungen aus: „Das ist das Rhein-Main-Gebiet mit Frankfurt und Mannheim, das ist im Rhein-Ruhr-Gebiet vor allem der Raum Köln, und das ist Hamburg im Norden.“
Mobilitätsforscher Knie: „Gleise teils noch auf die Bedürfnisse des 19. Jahrhunderts ausgelegt“
Für Andreas Knie ist das Problem, dass die Gleise teils noch auf die Bedürfnisse des 19. Jahrhunderts ausgelegt seien. So sei man mit den Engpässen im Westen, auf der anderen Seite jedoch mit einer viel zu breit angelegten Infrastruktur beispielsweise im Raum Görlitz konfrontiert.
Aber auch nicht beeinflussbare Faktoren wie das Wetter können Zugverspätungen verursachen. Wenn durch einen Sturm Äste auf den Gleisen landen, dann müssen erst einmal Arbeiten vollzogen werden, um eine sichere Durchfahrt zu gewährleisten. Und auch Fahrzeugstörungen wie nicht funktionierende Türen waren Ursache für 10,5 Prozent der Verspätungsminuten zwischen 2010 und 2019. Eine nebensächliche Ursache ist das Warten auf ein Anschlusszug.
Im Fall einer Zugverspätung kann es dazu kommen, dass Passagiere den Anschlusszug nicht bekommen. Oftmals wartet dieser nämlich nicht. Manchmal sorgen auch das Fehlen von Alternativverbindungen sowie eine hohe Anzahl an Fahrgästen für eine verspätete Weiterfahrt.
Was die Deutsche Bahn gegen die Verspätungen unternehmen möchte
Bei Investitionen in den Schienenverkehr liegt Deutschland im europaweiten Vergleich weit hinten. Während sein Nachbarland Luxemburg im Jahr 2020 567 Euro pro Kopf für die Schiene ausgab, investierte Deutschland nur 88 Euro. Das ergab eine Untersuchung des Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene.
Das Bundesverkehrsministerium will das nun ändern und 45 Milliarden Euro in die bundesweite Infrastruktur des Schienennetzes zwischen 2021 und 2025 investieren. Weitere 49 Milliarden sollen für den Ausbau innerhalb der jeweiligen Bundesländer folgen. Das ist mehr als doppelt so viel wie die Ausgaben für die Straßen.
So plant die Deutsche Bahn eine Generalsanierung wichtiger Strecken. Zeitgleich soll das digitale Zugsteuerungssystem ETCS eingeführt werden. Für die Projekte müssen allerdings wichtige Strecken monatelang gesperrt werden. Danach sollen jedoch die bearbeiteten Strecken frei von Baustellen sein.
