Ärzte-Verband: Eltern brauchen keine übergroßen Sorgen um Kinder zu haben
DGPI und DGKH halten es für geboten, die verfügbaren Fakten zu Hospitalisierung und Sterblichkeit von Covid-19 bei Kindern und Jugendlichen bekannt zu machen.

Berlin-Die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI) und die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) haben sich mit einer Publikation an die deutsche Öffentlichkeit gewandt. Thema ist Hospitalisierung und Sterblichkeit von Covid-19 bei Kindern. Die Mediziner und Forscher reagieren damit auf Forderungen von Teilen der Politik sowie Ärzten, Kitas und Schulen zu schließen. Aus Gründen der Transparenz veröffentlichen wir das Schreiben der Experten im unveränderten Wortlaut.
„Die aktuelle Diskussion in Deutschland um die weitere Entwicklung der Pandemie betrifft auch Kinder und Jugendliche: Verschiedene Experten fordern die Schließung von Schulen und Kitas, und die Bundesregierung sowie einige Landesregierungen haben solche Maßnahmen angekündigt oder bereits umgesetzt. Die Nachrichten erwecken den Eindruck, als würden Kinder und Jugendliche zu den besonders gefährdeten Teilen der Bevölkerung im Rahmen der SARS-CoV-2 Pandemie gehören.
Dies geht mit großen Sorgen und Ängsten von Eltern, zum Teil aber auch von Kindern und Jugendlichen selbst einher. Insofern halten wir es für geboten, die verfügbaren Fakten zu Hospitalisierung und Sterblichkeit von COVID-19 bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Stand April 2021 – der Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Dem RKI wurden bis zum 13. April 2021 insgesamt 78.537 Todesfälle gemeldet
Seit 17. März 2020 hat die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) ein Register geöffnet, in das bundesweit Kinderkliniken stationär behandelte Kinder und Jugendliche mit SARS-CoV-2-Infektion melden. Mit Stand 11. April 2021 (dgpi.de/covid-19-survey-update) wurden in das Register bislang 1259 Kinder aus 169 Kliniken mit ihren detaillierten klinischen Verläufen eingetragen; ungefähr 1/3 der Kinder war jünger als 1 Jahr, 1/3 zwischen 2 und 6 Jahren und 1/3 zwischen 7 und 20 Jahre; 62 der 1259 Patienten (5%) mussten auf einer Intensivstation behandelt werden. Seit Beginn des Registers im März 2020 wurden insgesamt 8 verstorbene Kinder gemeldet, davon waren 3 Kinder in einer palliativen Situation verstorben, in einem Fall war die Einordnung nicht möglich. Bei insgesamt 4 Kindern wurde COVID-19 als Todesursache festgestellt.
Dem RKI wurden nach IfSG bis 13. April 2021 insgesamt 78.537 Todesfälle gemeldet; in der Altersgruppe der 0- bis 9-Jährigen waren dies 12 Todesfälle, in der Altersgruppe der 10- bis 19-Jährigen 5 Todesfälle, wobei insgesamt 3 Fälle noch nicht validiert waren.
Ist die übergroße Sorge vor schwerem Krankheitsverlauf bei Kindern gerechtfertigt?
In die Statistik des RKI gehen die Todesfälle ein, bei denen ein laborbestätigter Nachweis von SARS-CoV-2 (direkter Erregernachweis) unabhängig von der tatsächlichen Todesursache vorliegt. Sowohl Menschen, die unmittelbar an der Erkrankung verstorben sind („gestorben an“), als auch Personen mit Vorerkrankungen, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren und bei denen sich nicht abschließend nachweisen lässt, was die Todesursache war („gestorben mit“), werden derzeit in den RKI-Meldedaten erfasst. Insofern erklärt sich die Diskrepanz zum DGPI-Register, in dem klinische Verläufe detailliert vorliegen.
Jeder einzelne Fall eines schwer erkrankten oder verstorbenen Kindes an einer SARS-CoV-2-Infektion ist ein Fall zu viel und ein unerträgliches Einzelschicksal für Kind und Familie. Die nun seit Beginn der Pandemie gemachte Beobachtung, dass von den schätzungsweise 14 Millionen Kindern und Jugendlichen in Deutschland nur etwa 1200 mit einer SARS-CoV-2-Infektion im Krankenhaus (< 0,01 Prozent) behandelt werden mussten und 4 an ihrer Infektion verstarben (< 0.00002 Prozent), sollte Anlass sein, Eltern übergroße Sorgen vor einem schweren Krankheitsverlauf bei ihren Kindern zu nehmen.
In der Saison 2018/19 wurde Influenza bei insgesamt 116 Kindern als Todesursache gemeldet. Nach Angaben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur lag im Jahr 2019 die Zahl der durch einen Verkehrsunfall getöteten Kinder bei 55, nach Angaben der DLRG die Zahl der ertrunkenen Kinder bei 25. Diese Zahlen sollen und dürfen keinesfalls gegeneinander aufgerechnet werden, mögen aber bei der Einordnung helfen.
Zahl der schweren oder tödlichen Verläufe von SARS-CoV-2 bei Kindern und Jugendlichen
Die weiterhin bestehende extreme Seltenheit eines schweren oder gar tödlichen Verlaufes von SARS-CoV-2 bei Kindern und Jugendlichen ist nicht geeignet, als Argument für Schul- und Kita-Schließungen benutzt zu werden. Nur die verbleibende Behauptung, dass zwischen den Infektionen bei Kindern und Jugendlichen und der Überlastung der Intensivstationen und den schweren und tödlichen Verläufen der älteren Erwachsenen ein Zusammenhang bestehe, könnte Kita- und Schulschließungen rechtfertigen. Daten, die diese These bestätigen, fehlen allerdings.“
Informationen zu DGPI und DGKH: Die DGPI ist eine seit 1991 bestehende deutsche wissenschaftliche Fachgesellschaft von Ärzten der Fachrichtung Kinder- und Jugend-Heilkunde. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. mit Sitz in Berlin ist eine medizinische Fachgesellschaft, die sich unter anderem mit der Verhütung und Bekämpfung krankenhaus- und praxisassoziierter Erkrankungen mit dem Schwerpunkten Infektionsprophylaxe auseinandersetzt. Die DGKH steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Gesundheit.
