Harald Schmidt über Deutschland: „Der Laden läuft“

Die Regierung macht einen anständigen Job, und der Winter wird nicht so schlimm. Sagt jedenfalls Geburtstagskind Harald Schmidt. Er sei ohnehin bald in Rente.

Harald Schmidt
Harald Schmidtdpa/Gerald Matzka

Er war Deutschlands bisher einzig relevanter Late-Night-Talker, die ganz große Bühne aber hat Harald Schmidt inzwischen längst verlassen. Der Mann, der auf dem Höhepunkt seines Schaffens als stilbildender Entertainer mit Preisen und Publikumsapplaus überschüttet wurde, will das Fernsehen aber auch gar nicht zurück. „Nein, ich hatte es bis zur Genüge“, sagte Schmidt, der am Donnerstag 65 Jahre alt wird, jüngst in einem Interview.

Damit sei die Rente nun auch schon in greifbarer Nähe: „Bei mir sind’s glaub ich noch acht Monate. Jahrgang ’57. Ich war ja die meiste Zeit Freiberufler. Aber ich habe halt 15 Jahre voll einbezahlt, um eine Minirente zu kriegen. Als ich am Theater war und auch heute noch, wenn man beim ZDF arbeitet, muss man auf Lohnsteuerkarte arbeiten. Ich bin auch noch Mitglied der Bayerischen Versicherungskammer, die eine sinnvolle Einrichtung für Schauspieler ist, weil in meiner Branche ja doch viele mit den Begriffen brutto und netto durcheinanderkommen“, sagte Schmidt.

Auf die Frage, wie viel er denn bekomme, fuhr er fort: „Aktueller Stand: 272 Euro. Im Ernst! Die kassier ich auch knallhart, ich hab ja einbezahlt, das steht mir zu. Das ist ja kein Almosen, das ist ein Deal, den ich mit dem Staat gemacht habe. Her damit!“

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Eine Karriere mit Höhen und Tiefen

Schmidt wurde bei seinen letzten Versuchen mit einer Late-Night-Show nach US-Vorbild vom Fernsehpublikum allerdings auch die kalte Schulter gezeigt. Bereits 2011 verabschiedete ihn die ARD mit schlechten Quoten, 2012 entließ ihn Sat.1 wegen miserabler Resonanz – und auch das folgende Spartendasein beim Bezahlsender Sky endete 2014 sang- und klanglos.

Seither spielt Schmidt an Theatern und betätigt sich ab und zu in anderen Formen medial, so etwa als Videokolumnist für Spiegel Online oder jüngst als Promicoach in der Amazon-Streamingshow „One Mic Stand“. Er habe „mehr als genug“ zu tun, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Ich befinde mich eben nur nicht mehr in diesem Hamsterrad.“

1995 startete „Dirty Harry“ late night durch

Der am 18. August 1957 in Neu-Ulm geborene TV-Entertainer schaffte, woran vor ihm selbst ein Thomas Gottschalk gescheitert war: Als Gottschalk 1995 gerade den Versuch aufgab, bei RTL eine tägliche Late-Night-Show zu platzieren, begann Schmidt bei Sat.1 seinen unerwarteten Siegeszug.

Die „Harald Schmidt Show“ wurde um die Jahrtausendwende ein Aushängeschild von Sat.1. Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs durfte Schmidt schalten und walten, wie er wollte. „Mein Größenwahn ist, dass ich mich für den größten Entertainer der Zeitgeschichte halte“, sagte er in dieser Zeit dem Stern.

Bis er dort war, nahm Schmidt indessen einen an Umwegen reichen Anlauf. Der in einem streng katholischen Elternhaus in Baden-Württemberg aufgewachsene Sohn von Heimatvertriebenen verdiente sich einst sein erstes eigenes Geld als Kirchenorganist, nach dem Zivildienst lernte er Schauspiel in Stuttgart.

Zur entscheidenden Lehrphase wurde ab 1984 ein Engagement am Düsseldorfer Kom(m)ödchen , wo er sein kabarettistisches Talent ausprägte und sich für das Fernsehen den letzten Schliff holte. Ab 1988 moderierte er „MAZ ab!“, ab 1990 gemeinsam mit Herbert Feuerstein „Schmidteinander“ und ab 1992 die – jedoch viel kritisierte – Abendshow „Verstehen Sie Spaß?“.

Direkt nach seinem Ausstieg aus der großen Spaßshow begann „Dirty Harry“ dann 1995 seinen Late-Night-Erfolg. Begleitet wurde er dabei phasenweise als Sidekick von Manuel Andrack. Dieser lieferte auch eine Erklärung für die zuweilen starken Formschwankungen von Schmidt in seinen Shows: „Immer, wenn Harald sich richtig anstrengt, wirkt er lustlos. Wenn er sich keine Mühe gibt, sagen alle: Boah, ist der geil drauf. Dann ist er locker.“

Andrack und der „Schmidteinander“-Begleiter Feuerstein beschrieben die Zusammenarbeit mit dem eigensinnigen Schmidt allerdings im Nachhinein nicht nur positiv. So nannte Feuerstein Schmidt, der immer wieder auch als Werbefigur, in Kinofilmen oder als Darsteller im ZDF-„Traumschiff“ gut im Geschäft war, in einem Spiegel-Interview einst abschätzig „verdammt faul“.

Und Andrack warf ihm vor, er habe am Ende der Zusammenarbeit nicht mehr mit ihm geredet. Eigensinn blitzte auch vor fünf Jahren auf, als Schmidt den Südwestrundfunk mit einer kurzfristigen Absage für ein Engagement beim Fernsehkrimi „Tatort“ überrumpelte.

Hinsichtlich einer möglichen Wiederholung der Late-Night-Erfolge durch andere Künstler gibt sich der Entertainer zu seinem Geburtstag derweil pessimistisch. In Deutschland fehle dem Format eine Tradition wie in den USA, sagte er dem RND. Auch habe heute kein Sender mehr den erforderlichen Mut. „Letzten Endes sind die Möglichkeiten dazu in Deutschland zu begrenzt.“

Harald Schmidt lebt in Köln

Schmidt verspürt überdies kein Bedürfnis, jemals aus Köln wegzuziehen. „Ich fühle mich sehr, sehr wohl in Köln, denn Köln ist eine unanstrengende Stadt“, sagte der in Nürtingen bei Stuttgart aufgewachsene Entertainer der Deutschen Presse-Agentur.

In Metropolen wie London und Paris bräuchte er dreimal so viel Geld, um seinen Kölner Lebensstandard aufrechterhalten zu können. „Wenn Sie in London das Geld nicht haben, dann ist es unfassbar anstrengend.“ Und man wohne dann auch nicht in den Vierteln, die wirklich reizvoll seien.

Dazu komme: „Ich habe hier natürlich ein Supernetz von Ärzten, von allen. Jeder Taxifahrer weiß, wo ich wohne.“ Die Familie wolle sowieso nicht mehr weg. Auch verkehrstechnisch sei Köln günstig gelegen mit zwei ICE-Bahnhöfen und den nahen Flughäfen Köln/Bonn, Düsseldorf und Frankfurt/Main. „Und Geld für Klamotten brauchen Sie in Köln auch nicht, denn der Dresscode ist Flipflops und Badehose.“

Zu der Bundesregierung und der drohenden Energiekrise sagte er: „Ich finde, dass die Regierung ihren Job mehr oder weniger gut erledigt. Ich meine: Der Laden läuft, und der Rest ist Sache von den Aufgeregten, die in den Talkshows sitzen. Da geh ich ja nicht hin. Ich gehe nicht in diese Auffangbecken, wo die Erniedrigten und Beleidigten sitzen. Ich gehe nur dahin, wo ich der einzige Gesprächspartner bin.“