Disput um Bachmut: Selenskyj streitet sich wohl mit Oberbefehlshaber

Bachmut ist laut Experten für die Ukraine nicht von strategischer Bedeutung. Trotzdem kämpft die Armee dort unerbittlich. Nun bricht offenbar Streit aus. 

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, im Gespräch.
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, im Gespräch.President of Ukraine Office/imago

Wegen der anhaltenden schweren Kämpfe um Bachmut soll es Streit in der ukrainischen Führung geben. Wie aus einem Bericht der Bild-Zeitung hervorgeht, soll der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sich uneinig mit dem Oberbefehlshaber seiner Armee, Walerij Saluschnyj, sein. Sie haben der Zeitung zufolge unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die ukrainischen Streitkräfte in Bachmut vorgehen sollten.

Demnach ist Saluschnyj bereits seit mehreren Wochen der Ansicht, dass ein Abzug der Armee aus Bachmut angebracht sein könnte. Nach seiner Argumentation ist ein Sieg in der Stadt nicht von militärischer Bedeutung. Sie sei erst durch Russlands Fokus auf die Stadt und den Einsatz etlicher Söldner der Gruppe Wagner vor Ort für Moskau zum Symbol geworden. Viele ukrainische Soldaten hätten dort bereits ihr Leben verloren. Selenskyj hatte die Stadt in Donezk zur ukrainischen Festung erklärt. Den Verteidigern der Stadt droht nun jedoch eine Einkesselung.

Ukraine: Saluschnyj könnte ein möglicher Rivale für Selenskyj sein

Aus ukrainischen Militärkreisen heißt es dem Bericht zufolge, dass der Oberkommandeur nun auf den Sieg gegen die russischen Truppen hinarbeitet und darum bemüht ist, seine Soldaten bestmöglich zu schützen. Damit dürfte Saluschnyj auch im Sinne seiner Streitkräfte handeln. Ein ukrainischer Militär-Analyst, der anonym bleiben will, sagte gegenüber der Bild: „Die große Mehrheit der Soldaten in Bachmut versteht nicht den Grund, warum die Stadt weiter gehalten wird.“

Bei den Verstimmungen zwischen Selenskyj und Saluschnyj könnte es jedoch um mehr gehen, als militärische Strategie-Fragen. Der Oberbefehlshaber gewinnt derzeit mit seinem überzeugenden Auftreten immer mehr Beliebtheit in der Bevölkerung. Viele handeln ihn bereits als einen möglichen Präsidentschaftskandidaten.

Walerij Saluschnyj, Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, nimmt an einer Gedenkveranstaltung anlässlich des einjährigen Jahrestages des Ukraine-Krieges teil.
Walerij Saluschnyj, Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, nimmt an einer Gedenkveranstaltung anlässlich des einjährigen Jahrestages des Ukraine-Krieges teil.Ukrainian Presidential Press Office/AP

Symbolkraft für Russland: Bachmut seit Monaten heiß umkämpft

Seit Monaten wird um Bachmut, wo vor dem Krieg etwa 74.000 Einwohner lebten, gekämpft. Die Stadt, in deren Ruinen nach offiziellen Angaben noch etwa 5000 Zivilisten ausharren, wurde dabei praktisch komplett zerstört. Der strategische Wert Bachmuts ist nach der Vertreibung der russischen Truppen aus dem Gebiet Charkiw gering, da nun nach dem Fall keine Einkesselung des Ballungsraums zwischen Slowjansk und Kramatorsk droht. Für die russische Militärführung hat die Einnahme hingegen große Symbolkraft, da sie Erfolge vorweisen muss.

Die ukrainische Seite hielt Bachmut lange, da die gut ausgebauten Stellungen in der Stadt es ermöglichten, den Angreifern hohe Verluste bei ihrem langsamen Vormarsch zuzufügen. Trotzdem häuften sich zuletzt Indizien und Berichte über einen geplanten Truppenabzug, nachdem die Russen Bachmut inzwischen von drei Seiten einkreisten und in Richtung der letzten Zufahrtsstraße aus dem Hinterland zur Versorgung der ukrainischen Einheiten vorrücken.

„Die ukrainischen Kräfte könnten sich, angesichts der durch Bilder mit Geolocation bestätigten Zerstörung der Eisenbahnbrücke über den Fluss im Nordosten von Bachmut am 3. März, von ihren Positionen am Ostufer des Bachmutka-Flusses zurückziehen“, schrieb zuletzt das in den USA ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW). (mit dpa)