Downing Street, Augenzeugen berichten: Partys jeden Freitag
Der interne Untersuchungsbericht zum „Partygate“-Skandal macht die britische Regierungsspitze für die Verfehlungen verantwortlich. Premierminister Boris Johnson gerät immer mehr unter Druck.

Ein interner Untersuchungsbericht hat die britische Regierungsspitze für die Verfehlungen im „Partygate“-Skandal verantwortlich gemacht. „Viele dieser Veranstaltungen hätten nicht zugelassen werden dürfen“, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht der hochrangigen Beamtin Sue Gray zu Partys am Regierungssitz während des Corona-Lockdowns. Die Führungsspitze müsse „Verantwortung für diese Kultur“ übernehmen.
Unmittelbar vor der erwarteten Veröffentlichung des Berichts hatten Augenzeugen schwere Vorwürfe erhoben: In der Londoner Downing Street habe es während des Corona-Lockdowns jeden Freitag Einladungen zu Treffen mit Alkohol gegeben, zitierte die BBC am Mittwoch mehrere anonymisierte Beschäftigte. Leere Flaschen und Reste von Essenslieferungen hätten noch am nächsten Morgen herumgelegen.
Mehrere Medien berichteten, die Spitzenbeamtin Sue Gray werde ihren Bericht noch im Laufe des Tages übergeben. Premierminister Boris Johnson wolle sich dann gegen Mittag im Parlament äußern. Kabinettsmitglied George Eustice zeigte am Mittwoch Verständnis für die Wut in der Bevölkerung über die Regelbrüche in der Downing Street. Er versicherte, Johnson habe das Parlament nicht belogen.
BBC: Boris Johnson selbst schenkte Mitarbeitern Alkohol ein
Zuletzt waren Fotos einer Zusammenkunft im Regierungssitz vom 13. November 2020 aufgetaucht. Zu sehen ist, wie Johnson ein Glas erhebt und offenbar den anderen Anwesenden zuprostet. Niemand trägt eine Maske, auf einem Tisch stehen mehrere offene Flaschen. Nach BBC-Angaben standen etwa 30 bis 40 Menschen eng an eng in einem Raum. Johnson selbst habe seinen Mitarbeitern Alkohol eingeschenkt. Zu dem Zeitpunkt waren private Zusammenkünfte untersagt. Wegen der Veranstaltung hatte die Londoner Polizei mehrere Teilnehmer mit Geldstrafen belegt, Johnson aber nicht.
Londoner Polizei steht selbst in der Kritik
Die Londoner Polizei steht in der Affäre selbst in der Kritik. Bürgermeister Sadiq Khan von der oppositionellen Labour-Partei forderte von der Polizei am Dienstag Auskunft über ihre Ermittlungen. In einem Schreiben an die auch als Scotland Yard bekannte Behörde forderte Khan eine „detaillierte Erklärung“, nach welchen Kriterien Strafbefehle erteilt wurden. Ansonsten stehe das Vertrauen in die Polizei auf dem Spiel.
Dem Sender Sky News sagte Khan: „Das war klar eine Party. Er hat sein Glas erhoben, und da waren leere Weinflaschen. Ich denke, die Polizei sollte erklären, wie sie zu ihren Schlüssen gekommen sind.“ Wegen der Teilnahme an einer anderen Feier wurde Johnson bestraft.
Die Ermittlungen sind inzwischen abgeschlossen. Scotland Yard zufolge wurden bei acht Zusammenkünften Verstöße festgestellt. Insgesamt ergingen Strafbefehle gegen 83 Beteiligte.
Wegen der Affäre fordern auch Mitglieder von Johnsons Konservativer Partei seinen Rücktritt. Dies schließt Johnson aus. Er hatte Fehler eingeräumt, aber betont, er habe stets den Eindruck gehabt, dass es sich um Arbeitstreffen handelte.