Drosten: Wuhan-Labor machte Sachen, „die man als gefährlich bezeichnen könnte“

Christian Drosten wurde zuletzt in der Debatte um den Ursprung des Coronavirus Vertuschung vorgeworfen. Jetzt äußert sich der Charité-Virologe ausführlich.

Christian Drosten, Chef-Virologe an der Berliner Charité und Mitglied im Corona-Expertenrat der Bundesregierung
Christian Drosten, Chef-Virologe an der Berliner Charité und Mitglied im Corona-Expertenrat der Bundesregierungimago/Political Moments

Virologe Christian Drosten hat sich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung zu Vertuschungsvorwürfen geäußert, die kürzlich der Hamburger Physiker Roland Wiesendanger gegen ihn und eine Reihe seiner Fachkollegen erhoben hatte. Wiesendanger behauptet, Experten verschleierten bewusst den Laborursprung von Sars-CoV-2, darunter auch Christian Drosten.

Drosten sagte in dem SZ-Interview, publizierte Projektberichte zeigten, dass in dem Labor in Wuhan „durchaus Sachen gemacht wurden, die man als gefährlich bezeichnen könnte.“ Solche Sachen hätten nicht sein müssen, „aber dabei hätte nicht das Sars-CoV-2-Virus herauskommen können“. Das Institut für Virologie in Wuhan habe laut Drosten in einem Projekt der US-amerikanischen NGO „Ecohealth Alliance“ „Gain-of-Function-Experimente“ durchgeführt: Dabei werden Fledermausviren mittels Gentechnik neue Spikeproteine eingebaut. Es habe sich herausgestellt, „dass die so konstruierten Viren sich besser vermehren konnten“, erklärt Drosten.

Zudem habe es Pläne zum Einbau von Furinspaltstellen gegeben, die jedoch nicht umgesetzt wurden, so Drosten. Das Experiment hätte in den USA stattfinden sollen, sei jedoch nicht finanziert worden. Das Coronavirus verfügt ebenfalls über eine solche Furinspaltstelle. Diese erleichtert es dem Virus, Atemwege zu befallen.

Furinspaltstelle: Durch Mutation oder eingebaut?

Diese Furinspaltstelle ist Dreh- und Angelpunkt der Vorwürfe von Wiesendanger. Seiner Forschung zufolge ist die Kombination aus dieser Spalte und Bindungsdomänen von Zellrezeptoren, die das Eindringen in menschliche Zellen erleichtern, noch bei keinem Coronavirus aufgetreten. Das sei ein deutlicher Hinweis auf einen nicht-natürlichen Ursprung.

Drosten hält dagegen: Das Einfügen der Furinspaltstelle sei ein theoretisch denkbares Laborexperiment, sie könne jedoch genauso gut auf natürliche Weise neu entstanden sein. Bei der Influenza passiere so etwas ständig. Sein Team habe zudem in eigenen Fledermaus-Proben Sars-Viren gefunden, „bei denen nur eine Mutation nötig wäre, und dann hätten diese Viren auch so eine Furinspaltstelle ähnlich der von Sars-CoV-2. Wenn nur so geringe Änderungen im Genom notwendig sind, kann man sich durchaus darauf einstellen, dass so was in der Natur passiert“.

Drosten: Habe für Kollegen in Wuhan meine „Hand ins Feuer gelegt“

Drostens Ansicht nach ist ein natürlicher Ursprung von Sars-Cov-2 deshalb nach wie vor wahrscheinlicher. Kategorisch ausschließen will Drosten die Laborhypothese jedoch nicht: „Es gibt nichts, was es nicht gibt. Ich will es nicht ausschließen, aber es ist derzeit nur eine Möglichkeit“. Der Virologe richtet auch Kritik an seine US-amerikanischen Fachkollegen, die offenbar von den beiden Experimenten wussten, dies jedoch nicht transparent machten. Er hätte damals mit der Stellungnahme im Lancet für die Kollegen in Wuhan „seine Hand ins Feuer gelegt“, sei aber über diese Projekte vorab nicht informiert worden.

Wiesendangers Vertuschungsvorwürfe weist Drosten entschieden zurück: „Man kann in allen öffentlichen Äußerungen von mir sehen, dass ich immer offen war für beide Möglichkeiten. Ich habe nur immer auch dazugesagt, weshalb ich einen natürlichen Ursprung des Virus aus dem Tierreich aus belegbaren Gründen für wahrscheinlicher halte“.