Ein Jahr Merz: CDU in Umfragen ganz oben – am Boden viele Baustellen
Wie steht die CDU nach einem Jahr unter Parteichef Friedrich Merz da? Die Anhängerschaft ist gespalten.

Wenn es eine gute Nachricht gibt, auf die bei der Union Verlass ist, dann sind es die Umfragewerte. Seit Monaten liegen CDU und CSU klar an der Spitze. Erfreulich für CDU-Chef Friedrich Merz, der die Partei nun seit einem Jahr führt. Allerdings bedeuten gute Umfragewerte noch lange keine Machtoption – und Schlagzeilen macht Merz derzeit eher mit verunglückten Aussagen zum Thema Migration.
Als Merz vor einem Jahr im dritten Anlauf der Sprung an die Parteispitze gelang, war die CDU ramponiert. Nach 16 Jahren im Kanzleramt fand sich die Partei in der Opposition wieder, die Arbeit an eigenen Konzepten lag seit Langem brach. Es gehe nun darum, „die Regierung von morgen“ zu werden, sagte Merz damals auf dem Wahlparteitag.
Union setzte deutliche Änderungen beim Bürgergeld durch
Wenige Wochen später ließ sich Merz auch zum Vorsitzenden der Unionsfraktion wählen. Wenngleich der Umgang mit dem vorherigen Fraktionschef Ralph Brinkhaus für einigen Unmut unter den Abgeordneten sorgte, läuft die Oppositionsarbeit inzwischen gut. So gelang es der Union beispielsweise, deutliche Änderungen am Bürgergeld durchzusetzen. Und Merz kann als begabter Redner im Plenum immer wieder gut platzierte Stiche gegen die Regierung setzen.
Doch Merz’ persönliche Umfragewerte können mit denen seiner Partei nicht mithalten. In der Kanzlerfrage verliert er regelmäßig gegen Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD). Und wie schon in früheren Jahren macht er weiter mit provokanten Äußerungen Schlagzeilen – vor allem zum Thema Migration. Als „kleine Paschas“ bezeichnete er bestimmte Schüler mit Migrationshintergrund; ukrainischen Flüchtlingen unterstellte er „Sozialtourismus“, wofür er sich am Ende sogar entschuldigen musste.
Aussagen von Merz spalten die CDU-Anhänger
Derartige Aussagen mögen bei rechtskonservativen CDU-Anhängern gut ankommen – gemäßigte Parteigänger dürften sie eher verschrecken. Dazu passt auch das Problem der klaren Abgrenzung von der AfD. Diese betont Merz zwar immer wieder. Doch wenn beispielsweise CDU-Lokalpolitiker einem AfD-Antrag zustimmen, wie kürzlich im Kreistag Bautzen geschehen, ist auf klare Konsequenzen kein Verlass.
In der CDU-Zentrale gibt es noch andere Probleme. Merz verschliss in seinem ersten Jahr als Vorsitzender bereits einiges an Personal, insbesondere bei der Leitung seines Büros.
Gleichzeitig gestaltet sich die Arbeit am neuen Grundsatzprogramm zäh und langwierig. Und die Frage, wie sich die Partei breiter aufstellen kann, ist trotz des Beschlusses zur internen Frauenquote und Bekenntnissen zur Diversität ebenfalls offen.
Berlin: Gute Aussichten auf Sieg, praktisch isoliert
Der Blick auf die Landtagswahlen in diesem Jahr zeigt, wie begrenzt die Machtoptionen der CDU inzwischen sind. Bei der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus Mitte Februar hat sie gute Aussichten auf den Sieg, aber praktisch keine auf die Regierungsbildung, da SPD, Grüne und Linke ihr Bündnis fortführen dürften.
So lief es schon vor fünf Jahren in Bremen, wo im Mai ebenfalls gewählt wird. Hier stehen allerdings die Sozialdemokraten deutlich besser da als in Berlin. Bleibt immerhin noch Hessen – hier regiert die CDU mit den Grünen, wobei es auch nach der Wahl im Oktober bleiben könnte.
Aussage „CDU ist Klimaschutzpartei“ sorgt für Spott
Diese Koalition liegt ohnehin im Trend. Neben Hessen und dem grün-schwarzen Baden-Württemberg führen die CDU-Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, Daniel Günther und Hendrik Wüst, entsprechende Bündnisse. Dass Merz eine solche Koalition auf Bundesebene schmieden würde, ist allerdings nicht so leicht vorstellbar. Dass der Bundesvorstand ein Papier verabschiedete, in dem steht, die „CDU ist Klimaschutzpartei“, sorgte vor allem für Spott.
Und so wartet eine weitere Herausforderung auf Merz – nämlich die Frage, wer für die Bundestagswahl 2025 Kanzlerkandidat oder Kanzlerkandidatin der Union wird. Selbst wenn CSU-Chef Markus Söder, wie er beteuert, keine Ambitionen hat: Merz wird dann fast 69 sein, die deutlich liberaler ausgerichteten Herren Günther und Wüst erst um die 50. Wie der äußerst selbstbewusste Parteichef hier mit der Möglichkeit eines Generationswechsels umgeht, wird noch spannend.
