Flüchtiger Häftling in Berlin: Gefährdung der Bevölkerung nicht ausgeschlossen

Die Berliner Justizsenatorin steht unter Druck. Vor wenigen Wochen erst war ein Mörder aus der Haft entkommen – nun gelang einem weiteren Häftling die Flucht.

Bis vor kurzem verbüßte der entflohene Häftling in der JVA-Plötzensee eine Haftstrafe.
Bis vor kurzem verbüßte der entflohene Häftling in der JVA-Plötzensee eine Haftstrafe.dpa/Paul Zinken

Nach der Flucht eines 41-Jährigen Straftäters aus dem offenen Vollzug kann aufgrund der kriminellen Entwicklung des Mannes eine Gefährdung der Bevölkerung nicht ausgeschlossen werden. Dies sagte Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) am Mittwoch im Rechtsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses, bezugnehmend auf eine Einschätzung der Staatsanwaltschaft. „Das ist ein ganz missliches Vorkommnis“, sagte Kreck. Der 41-Jährige war in der Nacht zum Sonntag aus dem offenen Vollzug in Berlin-Spandau verschwunden.

Nach Justizangaben war der Häftling in Vorbereitung auf seine geplante Entlassung am 13. September in den offenen Vollzug verlegt worden. Rund fünf Wochen später wäre er regulär entlassen worden. Der 41-Jährige verbüßte eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen Drogenhandels, räuberischer Erpressung und unerlaubten Führens von Schusswaffen. Er soll zudem Verbindungen zur organisierten Kriminalität gehabt haben, wie Kreck am Mittwoch einräumte.

Fehlen des Entflohenen zunächst nicht aufgefallen

Während der 41-Jährige in Haft war, gab es nach Angaben der Senatorin zwischenzeitlich Hinweise, dass der Mann auch Bezüge zum Salafismus oder radikalen Islamismus haben könnte. Dies sei mehrfach thematisiert worden. Psychologen hätten diese Einschätzung Ende 2021 jedoch nicht geteilt. Auch eine Anfrage beim Verfassungsschutz habe im August 2022 ergeben, dass solche Erkenntnisse nicht vorlägen. In der JVA-Plötzensee habe sich der Mann unauffällig verhalten. Daher sei schließlich die Verlegung in den offenen Vollzug beschlossen worden.

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Zuletzt war der Straftäter laut Kreck am Samstagabend gegen 20.10 Uhr gesehen worden. Bei einer Zählung am Sonntag gegen 0.35 Uhr sei sein Fehlen dann schließlich bemerkt worden. „Gesicherte Aussagen zu den Umständen der Entweichung können nicht getroffen werden“, erklärte die Senatorin. Sie verwies darauf, dass der offene Vollzug nicht gesichert sei wie geschlossene Haftanstalten. 

Fall Koray T.: Flüchtiger Mörder noch immer nicht gefasst

Tatsächlich sind Ausbrüche aus dem offenen Vollzug und insbesondere aus der JVA-Plötzensee keine Seltenheit. Im Gegenteil berichten Medien immer wieder von ganzen Ausbruchsserien. Dem Deutschlandfunk zufolge soll allein in den Jahren 2016 und 2017 rund 85 Häftlingen die Flucht gelungen sein. Dies wird vor allem dadurch ermöglicht, dass beim offenen Vollzug keine Sicherung der Häftlinge vorgesehen ist, was zur Resozialisierung Gefangener beitragen soll, die kurz vor der Entlassung stehen.

Erst vor wenigen Wochen war zudem einem weiteren verurteilten Gewalttäter die Flucht gelungen. Der 28-Jährige Koray T. war am 27. August von seinem ersten unbegleiteten Ausgang – er wollte offenbar die Einschulung seines Kindes besuchen – nicht wie vereinbart in die JVA-Tegel zurückgekehrt. Dort sollte er eine achtjährige Haftstrafe wegen heimtückischen Mordes verbüßen, bekam jedoch schon nach drei Jahren unbegleiteten Ausgang.

Für die Lockerungen musste sich Kreck bereits harter Kritik im Rechtsausschuss stellen. Nach ihren Aussagen hatte es vor der Entscheidung eine umfassende Prüfung gegeben. Der flüchtige Koray T. könnte sich Berichten zufolge inzwischen in der Türkei befinden.