Um die hohen Stromrechnungen der Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa zu senken, schlägt die EU-Kommission staatliche Preisdeckel sowie eine Übergewinnsteuer vor. Das geht aus einem Papier zu „Notfall-Eingriffen auf dem Strommarkt“ hervor, das der Nachrichtenagentur AFP vorlag. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen plädierte darüber hinaus am Freitag für einen „Preisdeckel für russisches Pipeline-Gas nach Europa“.
Wegen der massiv gestiegenen Energiepreise will von der Leyens Behörde „die Funktionsweise der europäischen Strommärkte optimieren und die Auswirkungen der Gaspreise auf die Verbraucherpreise verringern“, wie es in dem 23-seitigen Papier heißt. Es dient als Vorlage für das Dringlichkeitstreffen der EU-Energieminister kommende Woche Freitag in Brüssel.
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Gewinne von Stromerzeugern sollen teilweise abgeschöpft werden
Konkret sollen die Mitgliedsländer die Möglichkeit erhalten, über eine Preisgrenze Gewinne solcher Stromproduzenten abzuschöpfen, die derzeit besonders kostengünstig produzieren und von der De-facto-Bindung des Strompreises an den massiv gestiegenen Gaspreis in Europa profitieren. Dazu gehören laut Kommission Ökostrom-Produzenten sowie Betreiber von Atom- und Braunkohlekraftwerken. Die Regierungen könnten die Übergewinne dann an die Verbraucher weitergeben.
Von der Leyen plädierte dafür, „die überbordenden Gewinne“ von Stromerzeugern teilweise abzuschöpfen, „um gezielt kleine Einkommen und vulnerable Unternehmen zu unterstützen in diesen Zeiten des teuren Stroms“.
Zusätzlich sei es Zeit „für einen Preisdeckel auf russisches Pipeline-Gas nach Europa“, forderte von der Leyen. Eine verlässliche Versorgung aus Russland sei ohnehin nicht mehr gewährleistet. Der russische Präsident „Putin fackelt lieber das Gas ab, als dass er es vertragsgemäß nach Europa liefert“, betonte sie. Die Kommissionschefin äußerte sich als Gast der Klausurtagung des geschäftsführenden Vorstands der Unionsfraktion im bayerischen Murnau am Staffelsee.
Christian Lindners Blockadehaltung in der Kritik
Der Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament, Rasmus Andresen, rief Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf, seine „Blockadehaltung“ gegen eine Übergewinnsteuer, wie sie auch deutsche SPD-Politiker fordern, aufzugeben. Zugleich rief er die EU-Kommission auf, ihre Vorschläge gesetzlich verbindlich zu machen. In dem Strategiepapier lässt die Brüsseler Behörde dies offen. Andresen kritisierte, große Energiekonzerne machten „exorbitante Gewinne“, während sich Millionen Menschen fragten, wie sie durch den Winter kommen sollten.
Auch der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Markus Pieper (CDU), nannte die Kommissionspläne eine „wirksame Entlastung für private Stromkunden und Wirtschaft“. Die Markteingriffe müssten aber „ein zeitlich begrenztes Notfallinstrument bleiben“, mahnte er.
Mittelfristig will von der Leyen zudem „das Strommarktdesign betrachten“, wie sie in Bayern sagte. Länder wie Frankreich, Spanien oder Griechenland fordern eine Entkopplung des Strompreises vom Gaspreis. Dies sei aber „sehr komplex“, warnte die Kommissionschefin. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte diese Woche für „strukturelle Veränderungen“ am Energiemarkt plädiert und die Hoffnung auf eine relativ schnelle EU-Reform geäußert.
