Ex-US-Botschafter zu Waffenlieferungen: „Die Ukraine braucht einen Urknall“
Ex-Diplomat Michael McFaul sieht im Ukraine-Krieg die Zeit für einen Strategiewechsel gekommen. Der Westen müsse sofort weitere Waffen liefern – auch Kampfjets und Langestreckenraketen.

Der ehemalige US-Botschafter in Russland, Michael McFaul, hat sich in einem Gastbeitrag im Fachblatt Foreign Affairs für eine massive Ausweitung westlicher Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen. Statt die militärische Unterstützung für das von Russland angegriffene Land – wie bisher – schrittweise hochzufahren, müsse die Nato im inzwischen fast ein Jahr andauernden Krieg einen „Urknall“ (Big Bang) anstreben.
„Westliche Entscheidungsträger müssen ihren Ansatz in diesem Konflikt ändern“, so die Meinung des Politikwissenschaftlers. McFaul hatte die Russland-Politik der Vereinigten Staaten während der Obama-Legislaturen maßgeblich mitgestaltet. Nun sieht der 59-Jährige angesichts langsam voranschreitender Erfolge in der Ukraine die Zeit für einen Strategiewechsel gekommen. Weitere Panzer solle der Westen liefern, aber auch Langstreckenraketen, Drohnen und Kampfjets – all dies schnellstmöglich und in hohen Stückzahlen.
Ex-US-Botschafter: Schrittweise Waffenlieferungen verlängern den Krieg
Den bisherigen Ansatz des Westens im nun fast ein Jahr anhaltenden Krieg hält McFaul für gescheitert. Erst kürzlich hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), im Nachgang einer langwierigen Debatte und mehrfacher Aufforderungen anderer EU-Staaten, der Lieferung deutscher Leopad-2-Kampfpanzer zugestimmt. Dieses Zögern des Westens schade der Ukraine, so McFaul.
„In diesem Stadium würde eine schrittweise Ausweitung der militärischen und wirtschaftlichen Unterstützung den Krieg wahrscheinlich nur auf unbestimmte Zeit verlängern“, so der Ex-Botschafter. Stattdessen sollten die USA, die Nato und die gesamte „demokratische Welt“ im Jahr 2023 auf einen „Durchbruch“ hinarbeiten. „Das bedeutet fortgeschrittenere Waffen, mehr Sanktionen gegen Russland und mehr Wirtschaftshilfen für die Ukraine.“
McFaul: Am 24. Februar muss der Westen ein Zeichen setzen
Im Gegenzug für den Erhalt dieser Waffen könne der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ein Abkommen unterzeichnen, in dem sich sein Land dazu verpflichtet, keinesfalls Ziele in Russland anzugreifen. Ein symbolisch ausgewähltes Datum für den „Urknall“ stehe demnach bereits: Am 24. Februar – dem Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine – könnten US-Präsident Joe Biden und die Nato-Verbündeten ein Zeichen setzen, „dass es für Russland aussichtslos wäre, seinen Kampf fortzusetzen.“
Dass sich insbesondere deutsche Politiker bisher Zögerlichkeit bei der Entscheidung für weitere Waffenlieferungen vorwerfen lassen mussten, liegt auch an Bedenken, Russland könne die Bundesrepublik als Kriegspartei ansehen. So heben kritische Stimmen schon seit Kriegsbeginn hervor, dass ein direktes Eingreifen des Westens zu einer weiteren Eskalation führen könnte. Trotz jüngster Andeutungen, Russland sei nun „erneut“ von deutschen Panzern bedroht, hat Kreml-Chef Wladimir Putin bisher aber keine Anzeichen gemacht, auch Drittstaaten zu offiziellen Kriegsparteien zu erklären.
Seit Februar 2022 hätte sich Einiges geändert, betont McFaul nun, die Ängste hätten sich als unbegründet erwiesen. Nun müsse gehandelt werden. „Am Ende wird der Westen danach beurteilt werden, was im letzten Jahr des Krieges geschehen ist, nicht danach, was im ersten geschehen ist.“
