Kenosha-Mehr als vier Monate nach Schüssen auf den Afroamerikaner Jacob Blake bei einem Polizeieinsatz in Kenosha im US-Bundesstaat Wisconsin wird gegen keinen Polizeibeamten Anklage erhoben werden. Das erklärte der zuständige Staatsanwalt Michael Graveley und verwies auf ein Recht der Beamten auf Selbstverteidigung. Der weiße Polizist Rusten S. hatte Blake bei einem Einsatz am 23. August vergangenen Jahres siebenmal in den Rücken geschossen.
Der damals 29 Jahre alte Blake überlebte schwer verletzt und ist seither gelähmt. Die Schüsse auf Blake hatten in Kenosha zu Protesten und Ausschreitungen geführt. Graveley zufolge wäre nach geltender Rechtslage eine Verurteilung vor einem Gericht sehr unwahrscheinlich gewesen. Der Polizist S. habe bei dem Einsatz befürchtet, dass Blake ihn mit einem Messer angreifen würde und habe daher geschossen. Die Polizisten seien wegen eines Streits an den Tatort gerufen worden und hätten auch gewusst, dass es einen bestehenden Haftbefehl gegen Blake gegeben habe.
Blake habe sich in Lügen verstrickt
Blake habe gestanden, ein Messer bei sich geführt zu haben, so Graveley. Der Staatsanwalt teilte zudem mit, Blake habe sich in den Ermittlungen nach dem Vorfall mindestens zweimal in Lügen verstrickt. Er wäre laut Graveley in einem möglichen Prozess aus diesem Grund kein glaubwürdiger Zeuge gewesen. Während des Polizeieinsatzes hatten Polizisten zunächst einen Taser gegen Blake eingesetzt. Laut der Polizei versuchte Blake trotzdem, in sein Auto zu steigen – auf dessen Rücksitz sich ein Kind befand – und wegzufahren. Blake habe darüber hinaus sein Messer in Richtung des Beamten gehalten, woraufhin dieser von einer Gefahr ausgegangen sei und geschossen habe, sagte Graveley.
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Ein an dem Fall beteiligter Anwalt Blakes, Ben Crump, bezeichnete die Entscheidung der Staatsanwaltschaft als „unglaublich enttäuschend“. Er teilte mit:„ Wir finden, dass diese Entscheidung nicht nur Jacob und seiner Familie Unrecht tut, sondern auch der Gemeinschaft, die protestiert und Gerechtigkeit verlangt hat.“. Die Entscheidung sei die „falsche Botschaft“ für Polizisten im ganzen Land. Drei Monate vor dem Vorfall in Kenosha war in Minneapolis im benachbarten Bundesstaat Minnesota der Afroamerikaner George Floyd während eines Polizeieinsatzes ums Leben gekommen. Sein Tod führte in den USA und international zu Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus.
Kenosha ruft befristeten Notstand aus
Der Stadtrat von Kenosha hatte am Montag angesichts befürchteter Proteste vorab einer befristeten Notstandserklärung zugestimmt, die für acht Tage gilt. Gouverneur Tony Evers erklärte außerdem, er habe die Entsendung von 500 Mitgliedern der Nationalgarde in die Stadt genehmigt. Die Soldaten sollen helfen, örtliche Einsatzkräfte zu unterstützen, das Recht auf sichere Proteste zu gewährleisten sowie die örtliche Infrastruktur zu schützen, so der Gouverneur. Am Dienstag schrieb Evers auf Twitter, die Entscheidung im Fall Blake zeige, dass in den USA im Kampf gegen Rassismus noch viel getan werden müsse, um ein gerechteres und faireres Land zu schaffen. Er forderte die Menschen auf, „friedlich und sicher“ zu demonstrieren.
Bei den Protesten in Kenosha nach den Schüssen auf Blake war es zu weiterer Gewalt gekommen: Ein damals 17-jähriger Weißer erschoss laut Staatsanwaltschaft zwei Menschen mit einem Sturmgewehr und verletzte eine weitere Person. Der unter anderem wegen Mordes angeklagte Kyle R. plädierte am Dienstag in einer Online-Gerichtsanhörung auf nicht schuldig, berichteten mehrere US-Medien übereinstimmend. Er beruft sich demnach auf das Recht zur Selbstverteidigung. Die Anklage legt ihm unter anderem Mord in zwei Fällen zur Last.
Auch Sportler äußern sich zum Fall Blake
Bei einer Verurteilung könnte R. lebenslange Haft drohen. Der damals 17-Jährige war nach eigenen Angaben wegen der Proteste nach Kenosha gefahren, um dort Eigentum vor Plünderungen zu schützen. R. wurde nach seiner Festnahme im benachbarten Bundesstaat Illinois in der rechten Szene zu einem Helden stilisiert. US-Präsident Donald Trump verteidigte ihn und suggerierte, er habe in Notwehr gehandelt. Der junge Mann befindet sich gegen Kaution auf freiem Fuß.
Zur Entscheidung Fall Jacob Blake äußerte sich auch der bekannte Basketballer LeBron James kritisch. „Zu hören, was in Kenosha heute passiert ist, war ein Stich ins Herz“, so der Sportler, der bei der Mannschaft Los Angeles Lakers unter Vertrag steht. Die Basketball-Liga NBA hatte sich nach dem Vorfall 2019 solidarisch erklärt und ihre Play-offs unterbrochen. Neben James meldete sich am Dienstag (Ortszeit) auch die Basketball-Mannschaft Milwaukee Bucks zu Wort, die rund 64 Kilometer entfernt von Kenosha beheimatet ist. „Wiederholte Fälle exzessiver Gewalt und unmittelbarer Eskalation im Zusammenhang mit der schwarzen Gemeinschaft müssen aufhören“, hieß es in einer Mitteilung. Und weiter: „Wir werden weiterhin an rechtlichen Veränderungen arbeiten, damit solche Vorkommnisse nicht länger geschehen.“