FDP-Generalsekretär Lars Lindemann: Berlin setzt falsche Prioritäten

Viele Kliniken in Berlin sind in einer desaströsen wirtschaftlichen Situation, so FDP-Politiker Lars Lindemann. Um zu sparen, sollen Tierpark oder Zoo schließen.

Lars Lindemann
Lars LindemannFDP Bundestag

Die Berliner FDP arbeitet immer noch ihr Ausscheiden aus dem Abgeordnetenhaus auf. Der Generalsekretär Lars Lindemann nimmt im Interview mit der Berliner Zeitung kein Blatt vor den Mund. Lindemann sitzt für die Liberalen im Bundestag und ist Mitglied des Gesundheitsausschusses. Um die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser in der Hauptstadt zu verbessern, schlägt er vor, Tierpark oder Zoo zu schließen.

Berliner Zeitung: Herr Lindemann, die Berliner FDP ist bei der Wahl im Februar aus dem Abgeordnetenhaus geflogen. Was ist schiefgelaufen? Hat die FDP sich im Wahlkampf zu wenig von der CDU unterschieden?

Lars Lindemann: Die Analyse ist noch nicht abgeschlossen, die Antwort sicher vielschichtig. Zunächst wird man feststellen dürfen, dass viele unserer potenziellen Wähler die Ampel auf der Bundesebene noch immer sehr skeptisch sehen, darum war der Trend auf der Bundesebene in Berlin nicht hilfreich. Zudem hatten wir in den letzten Wochen des Wahlkampfs eine Zuspitzung auf die Berliner Spitzenkandidaten, die eine Chance auf die Position des Regierenden Bürgermeisters hatten. Da gleichlaufend die Umfragewerte auf Landesebene bis zum Wahltag einen Verbleib der FDP im Abgeordnetenhaus als sicher schaffbar darstellten, hat das viele potenzielle FDP-Wähler zu einer Wahlentscheidung für die CDU gebracht. Man wollte die Ablösung der SPD und von RGR. Was man jetzt schon sagen kann, ist, dass Attacken gegen die CDU als politischen Wettbewerber – mit dem wir noch immer der größten Schnittmengen haben – wenig hilfreich waren. Die CDU greift man von links ganz sicher erfolglos an.

Muss die FDP im Bund sich stärker von den Grünen und der SPD abgrenzen, um in den Bundesländern wieder zu punkten?

Wir haben auf Bundesebene einige Projekte angestoßen oder auch beschlossen, die ohne die FDP so niemals zustande gekommen wären. Zum Beispiel die Einführung des Deutschlandtickets, Streichung des Paragrafen 219a, Rückkehr zur Einhaltung Schuldenbremse oder auch die Zulassung von synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels, Anm. d. Red.) in Deutschland. Es ist gerade auf Drängen der FDP auch die breite Mitte, die den Wohlstand in unserem Land erarbeitet, erheblich steuerlich entlastet worden. Diese Erfolge müssen wir stärker kommunizieren und uns nicht von den politischen Wettbewerbern kleinreden lassen. Dabei steht die FDP treu zum Koalitionsvertrag. Darin sind jedoch auch Projekte vereinbart, die wir als Partei allein so nie auf den Weg gebracht hätten und welche klar gegen unsere Haltung stehen. Es muss darum in der konkreten gesetzgeberischen Ausformung dieser Koalitionsvertragsbestandteile eine liberale Handschrift für die Wähler sichtbar bleiben. Das ist Aufgabe der FDP in der Koalition.

Sie sitzen im Gesundheitsausschuss des Bundestags. Wenn Karl Lauterbach seine Krankenhausreform durchbekommt, könnte vielen kleinen Krankenhäusern das Aus drohen, auch in Berlin. Was wollen Sie tun, um das zu verhindern?

Seit der Einführung der DRG (Diagnosis Related Groups, Anm. d. Red.) im Krankenhausbereich ist seit 20 Jahren eine Entwicklung eingetreten, die zu Fehl-, Über- und auch Unterversorgung im gesamten Land geführt hat. Das müssen und werden wir korrigieren. Die unbestritten dringend notwendige Reform wird so auch zur Veränderung der Krankenhauslandschaft in Berlin führen. Die jetzt vorliegenden Vorschläge der Regierungskommission sind dafür zunächst einmal nur die Grundlage und der Ausgangspunkt der Debatte.

Was muss geschehen, um die medizinische Versorgung in der Hauptstadt weiter zu verbessern? Welche Partei soll jetzt den Gesundheitssenator stellen?

Es ist nicht wichtig, welche Partei den Gesundheitssenator stellt, sondern dass die strukturelle Veränderung und Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung in der Hauptstadt endlich in Angriff genommen wird, und zwar nicht um der Veränderung Willen, sondern um eine qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung langfristig zu sichern. Dabei ist die desaströse wirtschaftliche Situation vieler Berliner Krankenhäuser – speziell der landeseigenen Häuser – ein denkbar schlechter Ausgangspunkt. Personalmangel und das daraus resultierende überarbeitete Personal ist flächendeckend im Berliner Gesundheitsbereich zu finden. Auch die durch das Land Berlin unterlassenen Investitionen in die Gebäude und die medizinische Infrastruktur haben mittlerweile einen Investitionsstau von zwei Milliarden Euro hervorgerufen. Das spüren die Berlinerinnen und Berliner deutlich. In den anstehenden Koalitionsverhandlungen wird es interessant sein, zu beobachten, wie CDU und SPD damit umgehen wollen. Eines wird man den Koalitionären hier jedoch schon mit auf den Weg geben können: Es ist und bleibt die Verantwortung des Landes Berlin, diese investiven Lücken zu schließen. Hier im Haushalt endlich die richtigen Prioritäten zu setzen, ist jetzt wichtig.

Sie gelten nicht unbedingt als leiser Politiker: Als die Grünen, den Veggie-Day einführen wollten, haben Sie das sehr scharf kritisiert, Sie waren Lobbyismus-Vorwürfen ausgesetzt. Den Berliner Tierpark wollten Sie auch schon schließen, was Ihnen Kritik einbrachte. Muss man als Gesundheitspolitiker heutzutage laut oder leise sein?

Mir ist Authentizität wichtig. Wenn ich etwas für kritikwürdig halte, dann benenne ich dies klar, stelle mich aber auch jeder Diskussion und bleibe stets kompromissbereit. So auch in dem von Ihnen gewählten Beispiel des von mir zur Disposition gestellten Tierpark. Das Land Berlin kann sich – so meine ich – nicht auf der einen Seite fortgesetzt beispielsweise seiner Verpflichtung zur Investition in die elementare Daseinsvorsorge wie im Falle der Berliner Krankenhäuser entziehen, auf der anderen Seite aber zwei Zoos unterhalten. Wohin das führt, kann man jetzt im Gesundheitsbereich gut und deutlich sehen. Es geht also nicht um laut oder leise, das ist Geschmackssache. Aufgabe von Politik ist nach meiner festen Überzeugung das stete Hinterfragen.