Kartoffeln und Heimatkunde: Bundestag stimmt über Ferda Ataman ab

Weil sie Deutsche als „Kartoffeln“ bezeichnete, halten Konservative die Publizistin für den Posten der Antidiskriminierungsbeauftragten für ungeeignet. Aus der Ampel-Regierung erhält sie Zustimmung.

Die Publizistin Ferda Ataman in Berlin.
Die Publizistin Ferda Ataman in Berlin.Sarah Eick

Am kommenden Donnerstag stimmen die Abgeordneten des Bundestages über die neue Besetzung der Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung ab. Zur Wahl steht die Publizistin Ferda Ataman. Ihre Ernennung auf Vorschlag des Bundeskabinetts hatte bereits vor drei Wochen für Aufregung gesorgt.

Empörte Kommentatoren bezeichneten die 1979 in Stuttgart geborene Ataman als ungeeignet. Unter anderem warfen sie ihr vor, in Kolumnen - Ataman war beim Spiegel tätig - den Begriff „Kartoffel“ für Deutsche verwendet zu haben. Zudem habe sie Posts von ihrem Profil beim Kurznachrichtendienst Twitter gelöscht.

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Andere Personen des öffentlichen Lebens, wie der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent, stellten sich hinter Ataman. Auch die Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) befürwortet die Wahl. Aus den Reihen der Ampel-Koalition kündigten bereits Abgeordnete an, für Ataman zu stimmen.

Allerdings nicht einhellig: So kündigte etwa FDP-Politikerin Linda Teuteberg in einem Interview mit der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) an, Ataman nicht zu unterstützen. Auch aus dem konservativen Lager der Opposition aus CDU/CSU gab es Gegenwind. Die Mitglieder des Bundestages werden laut Tagesordnung am Donnerstag über die Besetzung des Amtes ohne vorangehende Debatte abstimmen.

Was macht die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung?

Der Bundestag informiert: „Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist die nationale Anlaufstelle für von Diskriminierung betroffene Menschen. Sie betreibt Öffentlichkeitsarbeit, führt wissenschaftliche Untersuchungen zu Diskriminierungen durch und gibt Empfehlungen zu deren Vermeidung.“

Im April 2022 hatte der Bundestag ein Gesetz beschlossen, wonach künftig das Parlament die Leitung der Antidiskriminierungsstelle wählt. Die Bundesregierung hat das Recht, einen Vorschlag zu machen, der Bundespräsidenten oder die Bundespräsidentin ernennt und vereidigt die gewählte Person. Die Amtszeit soll laut Gesetz auf fünf Jahre bei einmaliger Wiederwahl begrenzt werden.

Ataman war Redenschreiberin von Armin Laschet

Die Antidiskriminierungsstelle ist beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angesiedelt. Dass die Leitung, die bis 2018 Christine Lüders innehatte, jahrelang vakant war, hing damit zusammen, dass bisher das Ministerium den Posten besetzen konnte - wogegen es Konkurrentenklagen gegeben hatte. Erstmals hat nun der Bundestag das letzte Wort.

Wer ist Ferda Ataman? Ataman ist Journalistin, Autorin und Diversitäts-Expertin. Sie studierte Politikwissenschaften, schon an der Universität lag ihr Schwerpunkt auf den Themen Migration und Integration. Ihr erster Job nach dem Studium: Sie arbeitete für den CDU-Politiker Armin Laschet, der 2005 Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen wurde - und eine Redenschreiberin mit türkischem Hintergrund suchte.

2007 machte Ataman eine Ausbildung an der Berliner Journalistenschule und arbeitete danach in verschiedenen Zeitungsredaktionen. Von 2010 bis 2012 leitete sie das Referat Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

2009 gründete sie das Netzwerk Neue deutsche Medienmacher*innen mit, das sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzt. Von 2013 bis 2016 leitete die 43-Jährige, deren Eltern aus der Türkei nach Deutschland kamen, den Mediendienst Integration, eine wissenschaftliche Plattform für Journalisten zu den Themen Migration, Integration und Asyl.

„Ureinheimische“ als „Kartoffeln“ bezeichnet

Dem von dem damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) eingeführten Heimatministerium bescheinigte Ataman, das sei „vor allem Symbolpolitik für potenziell rechte Wähler“. Der CSU-Politiker war so erbost, dass er im Juni 2018 nicht zum Integrationsgipfel im Kanzleramt kam. Mit ihrem 2019 erschienenen Buch „Hört auf zu fragen. Ich bin von hier“ löste Ataman eine Debatte über Zugehörigkeit in Deutschland aus. Wenig später sorgte sie mit ihrer „Spiegel“-Kolumne „Heimatkunde“ für Aufruhr, in der es um die Frage ging, wie Deutsche ohne Migrationshintergrund genannt werden könnten.

Dass sich viele „Ureinheimische“ an der Bezeichnung „Kartoffel“ stören und diese als rassistisch empfinden, kann Ataman nicht verstehen - schließlich würden auch Menschen mit Migrationshintergrund „ständig nach Wurzeln, Religionen oder Stämmen sortiert“.

Ataman will eine „Integrationspolitik für alle Menschen - unabhängig für ihre Herkunft“, wie sie einmal in einem Interview sagte. Gebraucht werde „ein neues Verständnis von Zugehörigkeit, das nichts mit Vorfahren, Religion und Aussehen zu tun hat“, sagte sie und fügte hinzu: „Eigentlich ganz einfach.“