Flüchtlinge: Länderchefs fordern mehr Geld, Scholz zurückhaltend
Die Länder halten die Verteilung der Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen nicht für gerecht und verlangen Geld. Auch andere Forderungen werden laut.

Die Bundesländer wollen vom Bund mehr Geld für die Unterbringung von Flüchtlingen. Vor der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag forderte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) eine hälftige Teilung der Kosten zwischen Bund und Ländern. Die aktuelle Verteilung der Kosten sei nicht fair, sagte der amtierende Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz im ARD-Morgenmagazin. Auch der nordrhein-westfälische Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) kritisierte: „Der Bund macht sich einen schlanken Fuß.“ Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) forderte eine Pro-Kopf-Finanzierung für die Flüchtlingsversorgung. Scholz reagiert jedoch mit Zurückhaltung.
Weil sagte: „Wir glauben, dass die bisherigen Leistungen des Bundes wirklich unzureichend sind.“ In finanzieller Hinsicht trügen die Länder derzeit einen weit größeren Anteil als der Bund. In Niedersachsen werde derzeit nur etwa ein Sechstel der bei den Kommunen und dem Land entstehenden Kosten vom Bund übernommen. „Das ist eine viel zu niedrige Quote“, kritisierte der SPD-Politiker. Niedersachsen werde im laufenden Jahr rund eine Milliarde Euro aufwenden, um geflüchtete Menschen zu versorgen. Mehr als 90 Prozent davon flössen an die Kommunen.
Wüst: Stimmung darf nicht kippen
Ähnlich äußerte sich NRW-Regierungschef Wüst. „Wir dürfen nicht es nicht so weit kommen lassen, dass die Stimmung kippt“, betonte der CDU-Politiker im Morgenmagazin. Sein Bundesland erhalte in diesem Jahr 600 Millionen Euro vom Bund, gebe aber weit mehr an die Kommunen weiter. Es gehe bei der Flüchtlingspolitik aber nicht nur um Geld, sondern darum, „Ordnung in das Thema zu bringen“, sagte Wüst mit Blick auf die Zuständigkeit des Bundes für die Flüchtlingspolitik in Europa. Die Bundesländer hätten keinen Einfluss auf die Zuwanderung von Flüchtlingen.
Ministerpräsident Günther verlangte eine Pro-Kopf-Finanzierung für die Flüchtlingsversorgung vom Bund. „Das wäre ein deutlich gerechteres Verfahren als die aktuelle Pauschalfinanzierung“, sagte er dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND, Donnerstag). „Wir brauchen einen Mechanismus, der dauerhaft eine faire Lastenverteilung sicherstellt“, unterstrich der schleswig-holsteinische Regierungschef. Die saarländische Regierungschefin Anke Rehlinger (SPD) sagte der „Rheinischen Post“ (Donnerstag), die Länder bräuchten auch mehr Unterstützung etwa durch Liegenschaften des Bundes.
Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte mehr Bundesmittel für die Flüchtlingsversorgung. „Länder und Kommunen erwarten deutliche Signale zu Finanzhilfen des Bundes“, sagte er dem RND. „Die bisherigen Zusagen gingen von 200.000 Flüchtlingen aus. Tatsächlich waren es über eine Million. Deswegen warten wir auf eine deutliche Aussage des Kanzlers, wann über weitere Gelder geredet wird.“
Kretschmer will Stopp freiwilliger Aufnahmeprogramme
Der sächsische Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) forderte eine Begrenzung der Aufnahme von Flüchtlingen. Die Zahl der Flüchtlinge sei so groß geworden, dass die Kommunen keine Aufnahmekapazitäten mehr hätten, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag): „Das heißt, der Bund muss aufhören mit freiwilligen Aufnahmeprogrammen“. Das größte Aufnahmeprogramm gehört zum Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei aus dem Jahr 2016. In diesem Rahmen nimmt Deutschland jährlich bis zu 3.000 syrische und staatenlose Flüchtlinge aus der Türkei auf.
Scholz zurückhaltend zu Wunsch der Länder nach mehr Hilfe
Im Streit mit den Ländern über die Aufteilung der Ausgaben für Flüchtlinge hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) derweil das finanzielle Engagement des Bundes herausgestellt. „Der Bund hat den Ländern und Kommunen im vergangenen Jahr mehr als 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt - und in diesem Jahr noch einmal 2,75 Milliarden“, sagte er am Donnerstag im Bundestag in seiner Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel.
Außerdem bekämen die Flüchtlinge aus der Ukraine Bürgergeld anstelle der üblichen Leistungen für Asylsuchende. „Das bedeutet, dass der Bund den allergrößten Teil der Kosten der Unterkunft und Verpflegung trägt“, betonte Scholz. Neue Zusagen angesichts anhaltender Forderungen der Länder nach mehr Geld machte er in der Rede nicht. „Seiner Verantwortung wird der Bund gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden auch weiterhin gerecht werden“, sagte Scholz lediglich.
Scholz sieht auch Europa in der Pflicht
Er verwies zugleich auf die europäische Dimension des Themas. „Wirksame Antworten auf die Herausforderungen von Flucht und Migration werden wir nur mittels eines europäischen Rahmens geben können“, sagte Scholz.
Wer aus humanitären Gründen nach Deutschland komme und hier Schutz begehre, müsse diesen Schutz auch bekommen, sagte der Kanzler weiter. Wer aber kein Aufenthaltsrecht habe, „muss zügig in sein Heimatland zurückkehren. Das funktioniert noch nicht genug.“
Flüchtlinge: Das ist das Ziel der Bundesregierung
Ziel der Bundesregierung sei es, „irreguläre Migration“ zu verhindern, bekräftigte Scholz. „Und im Gegenzug wollen wir legale Migrationswege eröffnen. Denn klar ist ja, dass uns in Deutschland schon jetzt an allen Ecken und Enden Fachkräfte fehlen.“
Die Bundesregierung hatte den Ländern im vergangenen November zugesagt, sich ab diesem Jahr mit 2,75 Milliarden Euro jährlich an den Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen zu beteiligen. Ein Spitzentreffen auf Einladung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor vier Wochen hatte keine Einigung über strittige finanzielle Fragen gebracht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Bundesländern inzwischen ein Sondertreffen vorgeschlagen. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine waren im vergangenen Jahr rund 1,1 Millionen Flüchtlinge aus dem Land nach Deutschland gekommen, von denen knapp eine Million geblieben sind.
