Gaspreise: „In drei Monaten werden Menschen ihre Rechnung nicht mehr zahlen können“

Chef der Bundesnetzagentur warnt zudem: Auch zu 100 Prozent volle Gasspeicher reichen nicht für den ganzen Winter.

ARCHIV - Klaus Müller, der Präsident der Bundesnetzagentur, hält es für möglich, dass Russland die Lieferung von Gas durch Nord Stream 1 einstellt. Foto: Oliver Berg/dpa
ARCHIV - Klaus Müller, der Präsident der Bundesnetzagentur, hält es für möglich, dass Russland die Lieferung von Gas durch Nord Stream 1 einstellt. Foto: Oliver Berg/dpadpa

Der Chef der Bundesnetzagentur (BNetzA) Klaus Müller erwartet, dass die Gaspreise im Winter weiterhin deutlich ansteigen werden. Er fürchtet, dass deshalb zahlreiche Haushalte ihre Rechnungen bald nicht mehr begleichen können. Das sagte Klaus Müller bei dem Berliner Fachkongress für „Wehrhafte Demokratie“ zum Thema „Versorgungssicherheit: Wohlstand und Werte auf der Kippe?“, berichtet die Welt. Zudem griff Müller die Politik scharf an: Man habe es in der Vergangenheit versäumt, die Energieversorgung sicher zu stellen. Es sei nun nötig, Gaskraftwerke durch Kohlekraftwerke zu ersetzen. Dieser Schritt sei alternativlos.

Es sei „schwer nachvollziehbar“, dass mit Deutschland das Land in Europa, was neben Italien am schwersten abhängig von Gas und Gasimporten sei und seinen Wohlstand auf preiswerten fossilem Gas aufgebaut hat, sich in „keinster Art und Weise“ um seine Versorgungssicherheit Gedanken gemacht habe.

Zum Thema Gasspeicher sagte er, dass der derzeitige Füllstand zwar rund acht Prozentpunkte besser als im vergangenen Jahr. Das liege aber auch daran, dass das vergangene Jahr eines der schlechtesten in der deutschen Gasspeichergeschichte gewesen sei. Anfang der Woche waren die Speicher nach Angaben von Europas Gasinfrastruktur-Betreiber (GIE) zu 60,26 Prozent voll.

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Die Bundesregierung hatte mitgeteilt, dass es Ziel sei, die Gasspeicher bis Anfang November zu mindestens 90 Prozent zu füllen. Ob das angesichts der eingeschränkten Lieferungen und des drohenden Komplett-Stopps von Gas aus Russland gelingt, ist aber ungewiss. Zudem würden auch zu 100 Prozent gefüllte Gasspeicher bei weitem nicht für die komplette Heizperiode ausreichen. Nach Schätzung der Bundesnetzagentur würden die Gasspeicher bei einem durchschnittlichen Winter nur zweieinhalb Monate reichen, um die Nachfrage auch ohne russisches Gas zu decken.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat wegen der unsicheren Gasversorgung aus Russland erneut vor Engpässen im Winter gewarnt. „Es kann wirklich problematisch werden“, sagte er am Donnerstag bei einer Veranstaltung der „Süddeutschen Zeitung“ und bezog sich damit auf die Gasversorgung zum Jahresende. Ab dem 11. Juli drohe eine Blockade der Pipeline Nord Stream 1. „Dann stehen reguläre Wartungsarbeiten an“, sagte Habeck. Und weiter: „Die dauern.“

Wann wird das Gas gesperrt und kann man sich dagegen wehren?

Auf der offiziellen Internetseite der Bundesnetzagentur ist nachzulesen, ab wann ein Sperre droht und die Heizung kalt bleibt.

Was muss passiert sein, bevor die Energiebelieferung unterbrochen werden kann?
  • Sie sind mit mindestens 100 Euro bei Ihrem Stromlieferanten im Rückstand (gilt nur bei Stromsperre). Bei der Gasbelieferung kann der Zahlungsrückstand geringer sein.
  • Der Energielieferant hat Ihnen eine Mahnung in Form einer erneuten Zahlungsaufforderung zugeschickt, auf die Sie nicht innerhalb der Frist reagiert haben.
  • Sie haben vier Wochen vor dem eigentlichen Sperrtermin eine Sperrandrohung erhalten. (Die Mahnung und die Androhung kann gleichzeitig erfolgen.)
  • Eine Sperrankündigung hat Sie mindestens drei Werktage vor dem Sperrtermin erreicht.
  • Die Folgen der Unterbrechung müssen im Verhältnis zum Zahlungsverzug stehen. Sollten Sie also etwa Kleinkinder oder pflegebedürftige Personen im Haushalt versorgen, sollten Sie dies dem Lieferanten unverzüglich mitteilen und der Sperre widersprechen.
  • Sie konnten dem Energieversorger nicht überzeugend schildern, wie Sie Ihren Zahlungspflichten in Zukunft nachkommen werden.

Zudem, heißt es auf der Seite, sei es „meistens einfacher und kostengünstiger, eine Energiesperre zu verhindern, als einen bereits gesperrten Anschluss wieder freizuschalten.“

Bundesnetzagentur: „Wie verhalten Sie sich am besten und was sollten Sie tun, damit es erst gar nicht dazu kommt?“
  • Versuchen Sie, die Zahlungen für Strom, Gas, Heizung und Miete pünktlich zu begleichen.
  • Lesen Sie Ihre Zählerstände regelmäßig ab (mindestens einmal im Quartal) und notieren Sie diese.
  • Prüfen Sie, ob Ihre monatlichen Abschlagszahlungen zu Ihrem tatsächlichen Verbrauch passen, damit am Ende des Jahres keine hohe Nachzahlung droht.
  • Vergleichen Sie andere Tarife und Anbieter. Oft führt ein Lieferantenwechsel zu Kosteneinsparungen.
  • Achten Sie auf Ihren Energieverbrauch und schauen Sie, ob es Einsparpotenziale gibt.