Nach zwei Monaten Abwärtstrend steigt die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland wieder. Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen – Insolvenzverfahren für Unternehmer – in Deutschland ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes im August 2022 um 6,6 Prozent gegenüber Juli 2022 gestiegen.
Im Juli 2022 wären sie noch um 4,2 Prozent gegenüber Juni 2022 zurückgegangen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Verfahren erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik einfließen würden, heißt es in einer Pressemitteilung.
Leibniz-Institut: „Trendwende eingesetzt“
Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liege in vielen Fällen annähernd drei Monate davor. Außerdem bilde die Insolvenzstatistik nicht alle Geschäftsaufgaben ab, da Geschäftsaufgaben auch aus anderen Gründen beziehungsweise vor Eintritt akuter Zahlungsschwierigkeiten erfolgen könnten.
Doch auch das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) geht anhand jüngster Daten von steigenden Zahlen aus. „Nach lange Zeit niedrigen Insolvenzzahlen hat nun eine Trendwende eingesetzt“, erklärte IWH-Forscher Steffen Müller in der vergangenen Woche. Verantwortlich seien in erster Linie stark steigende Preise zum Beispiel für Energie und Probleme in den Lieferketten. Von einer drohenden Pleitewelle könne jedoch trotz steigender Zahlen derzeit nicht gesprochen werden.
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Baugewerbe und Handel am meisten betroffen
Insgesamt gebe es 4 Prozent weniger Unternehmensinsolvenzen im 1. Halbjahr 2022 als im Vergleich zum 1. Halbjahr 2021. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 hätten die deutschen Amtsgerichte 7113 Unternehmensinsolvenzen gemeldet, berichtet das Statistische Bundesamt.
Die meisten Unternehmensinsolvenzen gebe es 2022 im Baugewerbe mit 1330 Fällen. Es folge der Handel (einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen) mit 1058 Verfahren.
Weniger Verbraucherinsolvenzen als 2021
Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen sei im 1. Halbjahr 2022 um 20,2 Prozenz gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum gesunken. Um eine Pleitewelle infolge der Pandemie abzuwenden, hatte der Staat die Pflicht zum Insolvenzantrag bei Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zeitweise ausgesetzt.
Die Entwicklung der Verbraucherinsolvenzen wäre seit Mitte 2020 im Zusammenhang mit einem Gesetz zur schrittweisen Verkürzung von Restschuldbefreiungsverfahren von sechs auf drei Jahre zu betrachten. Die Neuregelung gelte für seit dem 1. Oktober 2020 beantragte Verbraucherinsolvenzverfahren. Sie ermögliche den Betroffenen einen schnelleren wirtschaftlichen Neuanfang im Anschluss an ein Insolvenzverfahren, heißt es vom Statistischen Bundesamt.
Das Bundesamt geht weiter davon aus, dass viele überschuldete Privatpersonen ihren Insolvenzantrag zunächst zurückhielten, um von der Neuregelung zu profitieren. Dieser Nachholeffekt hätte ab Anfang 2021 für einen starken Anstieg der Verbraucherinsolvenzen gesorgt und scheint inzwischen beendet sein.
