Streit um Nord Stream 1: Russische Gasturbine geht erst nach Deutschland

Dies wäre „ein Präzedenzfall dafür, dass zwei G7-Staaten die gegen Russland verhängten Sanktionen umgehen“, sagt eine Quelle des ukrainischen Energieministeriums.

Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1.
Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1.Jens Büttner/dpa

Ottawa-Die kanadische Regierung will die Lieferung der gewarteten russischen Nordstream-1-Turbine nach Deutschland ermöglichen. Dazu werde Kanada „eine zeitlich begrenzte und widerrufbare Erlaubnis“ an Siemens Canada geben, sagte der für Bodenschätze zuständige Minister Jonathan Wilkinson in einer Stellungnahme.

Ohne die nötige Gasversorgung würde die deutsche Wirtschaft sehr leiden und die Deutschen wären möglicherweise nicht in der Lage, im Winter ihre Wohnungen zu heizen. Man wolle dafür sorgen, dass Europa „Zugang zu zuverlässiger und erschwinglicher Energie“ habe, während es sich langsam von russischem Öl und Gas löse.

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Der russische Energiekonzern Gazprom hatte Mitte Juni seine Gaslieferungen nach Deutschland durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 reduziert und auf Verzögerungen bei der Reparatur von Gasverdichtern verwiesen. Der Energietechnikkonzern Siemens Energy hatte daraufhin mitgeteilt, dass eine in Kanada überholte Gasturbine aufgrund der Russland-Sanktionen derzeit nicht aus Montréal zurückgeliefert werden könne. Nun will Kanada die Turbine erst nach Deutschland schicken lassen, statt direkt nach Russland.

Die Ausnahme von den Sanktionen begründete Wilkinson damit, dass der russische Präsident Wladimir Putin versuche, die Alliierten gegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine mit seiner Energiepolitik zu spalten. „Das können wir nicht zulassen“, sagte Wilkinson. Kanada stehe an der Seite der Ukraine und werde weiterhin Sanktionen gegen Moskau verhängen und mit europäischen Staats- und Regierungschefs zusammenarbeiten, um die Abhängigkeit von russischen Gasimporten schnellstmöglich zu beenden und die Energiemärkte zu stabilisieren.

Umgehen zwei G7-Staaten die gegen Russland verhängten Sanktionen?

Die Ukraine lehnte das Vorhaben, die Gas-Turbine zurück nach Russland zu schicken, zuvor ab. Dies geht aus einem Bericht von Reuters hervor. Die Nachrichtenagentur berief sich auf eine nicht näher genannte Quelle des ukrainischen Energieministeriums. „Die Sanktionen verbieten den Transfer jeglicher Ausrüstung im Zusammenhang mit Gas“, sagte die Quelle dem Bericht zufolge am Donnerstag.

Der ukrainische Energieminister German Galushchenko setzte sich demnach überdies bereits im Juni dafür ein, dass Kanada die Turbine nicht an Gazprom zurück liefert. In einem Schreiben, das Reuters vorliegt, begründete Galushchenko seine Ablehnung so: Russland verfüge über seine Transitrouten immer noch über mehr als genug Kapazitäten, um die Versorgung ohne die in Kanada gewartete Turbine gewährleisten zu können. „Es gibt sieben Turbinen, dies ist nur eine davon, und diejenigen, die jetzt in Betrieb sind, reichen für die volle Kapazität aus“, so die Quelle des Energieministeriums.

„Wenn die Entscheidung von den Kanadiern getroffen wird, die Turbine zu übergeben, egal ob an Gazprom oder an Deutschland, um sie weiter zu übergeben … wäre dies ein Präzedenzfall dafür, dass zwei G7-Staaten die gegen Russland verhängten Sanktionen umgehen“, führt die Quelle weiter aus.

Die Bundesregierung hat die Ausfuhrgenehmigung Kanadas für reparierte Turbinen für die Gaspipeline Nord Stream 1 begrüßt. „Wir begrüßen die Entscheidung unserer kanadischen Freunde und Verbündeten“, teilte ein Sprecher der Regierung am Sonntag mit. Das Bundeswirtschaftsministerium würdigte einen „guten und konstruktiven Austausch mit der kanadischen Regierung“.

Russland kündigte am Freitag an, im Fall einer Rückkehr seiner reparierten Gasturbine aus Kanada die Energielieferungen durch die gedrosselte Ostseepipeline Nord Stream 1 wieder hochfahren zu wollen. „Wenn die Turbine nach der Reparatur kommt, dann erlaubt das eine Zunahme der Umfänge“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. „Die Frage ist nur, warum das nicht gleich so gemacht wurde.“ Peskow wies einmal mehr zurück, dass Russland sein Gas als politisches Druckmittel einsetze.