Gewerkschaften kritisieren Corona-Bildungspolitik

Bei der schnelleren Umstellung auf digitales Lernen an Schulen gebe es kaum Fortschritte.

Viele Schulen haben Probleme beim digitalen Lernen.
Viele Schulen haben Probleme beim digitalen Lernen.imago images/Andrey Popov

Berlin-Die großen Bildungsgewerkschaften kritisieren mangelnde Fortschritte in der Schulpolitik seit dem zweiten Corona-Schulgipfel von Bund und Ländern.

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Marlis Tepe sagte: „Den Ankündigungen des Schulgipfels sind noch viel zu wenig Taten gefolgt. Die Mühlen mahlen langsam und so werden die Erwartungen, dass alles von heute auf morgen umgesetzt wird, enttäuscht.“ In einem „Zuständigkeitswirrwarr zwischen Bund, Ländern und Kommunen“ blieben viele der Maßnahmen hängen, so Tepe.

Es dauere noch Monate, bis die Situation akzeptabel werde

Der Verband Bildung und Erziehung rechnet damit, dass noch Monate vergehen, bis sich sichtbar etwas an den Schulen getan hat. „Ich gehe davon aus, dass es noch bis Ende dieses Schuljahrs dauert, um in Sachen Digitalisierung eine halbwegs akzeptable Situation an den Schulen herzustellen“, sagte der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann.

Am 13. August hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chefin Saskia Esken, Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und Vertreter mehrerer Bundesländer vereinbart, dass Lehrer mit Dienstlaptops ausgestattet, alle Schulen „schnellstmöglich“ an das schnelle Internet angeschlossen werden und Schüler eine Internetflatrate für maximal 10 Euro bekommen sollen. Bei einem zweiten Gespräch im Kanzleramt im September wurde zudem der Aufbau sogenannter digitaler Kompetenzzentren für die Lehrerweiterbildung vereinbart.

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Immer noch kaum Dienstlaptops für Lehrer

Für 500 Millionen Euro des Bunds sollten Laptops für Hunderttausende Lehrer beschafft werden. Falls Schulen geschlossen oder Klassen und Lehrer in Quarantäne geschickt werden, sollen die Lehrkräfte mit Dienstgeräten über sichere Kanäle und Lernplattformen mit den Schülern kommunizieren, Online-Unterricht durchführen und Leistungen bewerten können. VBE und GEW fragten in ihren Landesverbänden nach, fanden kaum Geräte. „Bis heute müssen an die 90 Prozent der Lehrkräfte ihre Privatgeräte nutzen“, hieß es.

In manchen Familien gibt es keinen Computer zur Bearbeitung von Schulaufgaben und auch keinen Internetzugang für die Kinder. Deshalb wurde im Zuge der Corona-Krise ein 500-Millionen-Euro-Programm für Leih-Rechner für bedürftige Schüler aufgelegt. Berlin zum Beispiel hatte zwar im Frühjahr 9500 Tablets an sozial benachteiligte Schulkinder verteilt, es sollen aber laut Senat „zeitnah“ weitere 40.000 werden, bezahlt mit 27,5 Millionen Euro aus dem Sofortausstattungsprogramm des Bundes. Dafür wurde Ende September immerhin begonnen, die Ausschreibung vorzubereiten.

Noch keine flächendeckende Schüler-Flatrate

Nach dem vergangenen Schulgipfel war auch von Fortschritten beim Thema Schüler-Flatrate die Rede. Es habe Gespräche mit mehreren Telekommunikationsanbietern gegeben, die eine Flatrate für zehn Euro anbieten wollten, hieß es. „Von der Vorstellung, dass für jede Schülerin und jeden Schüler der Zugang zu einem günstigen Internetzugang gewährleistet ist, sind wir noch weit entfernt“, so der VBE.

Die GEW hat noch keine Rückmeldungen darüber, ob die 10-Euro-Flatrate schon irgendwo im Einsatz ist. Am Montag kündigte Vodafone eine solche Flatrate an: „Zehn Euro netto pro Monat für die feste Ende-zu-Ende-Verbindung zum Schulserver“, wie es in einer Mitteilung hieß. Schulträger könnten den Tarif für ihre Schüler noch im November buchen.

Auch bei den Themen schnelles Netz und der Lehrer-Weiterbildung gebe es Probleme, so GEW-Chefin Tepe: „Die Fort- und Weiterbildungslandschaft mit Angeboten für die Lehrkräfte, die sie für das Lehren in der digitalen Welt fit machen sollen, gleicht weiterhin einer Wüste, in der man die Oasen suchen muss.“ Zu schnellen Internetverbindung sagte Tepe: „Was in Städten schon mal klappt, bleibt auf dem Land genauso oft ein Wunschtraum.“

Der VBE-Vorsitzende Beckmann kritisierte, die Politik habe die Lösung all dieser Fragen zu lange zu wenig ernst genommen. Er bemängelte, dass durch eine „jahrelange Schönfärberei“ im Schulbereich ein massiver Personalmangel entstanden sei – da würden Computer nicht helfen.