Habeck: Atomkraftwerke bei „Sonderszenario“ weiter betreiben

Wirtschaftsminister Robert Habeck geht von einem energiepolitischen Stresstest aus, bei dem alle Möglichkeiten bedacht werden müssten.

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.dpa/Kay Nietfeld

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schließt einen Weiterbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland über das Jahresende hinaus unter bestimmten Voraussetzungen nicht aus. Beim sogenannten Stresstest könne sich ein „Sonderszenario“ ergeben, sagte Habeck am Dienstag in der Sendung „RTL Aktuell“. „Die Frage, die relevant gestellt werden muss, ist, ob die Stromnetzstabilität in diesem Jahr durch weitere Maßnahmen gesichert werden muss.“

Um ausreichende Rückspannung im Netz zu sichern, sei eine gewisse Kraftwerkskapazität nötig. „Und jetzt schauen wir uns an, ob dieses Jahr so extrem ist, dass dafür noch mal neu ein Szenario aufgemacht werden soll“, sagte Habeck. Er nannte als Beispiele die vielen derzeit abgeschalteten Atomkraftwerke in Frankreich und möglicherweise zur Stromerzeugung fehlendes Regenwasser in den Bergen.

Die Einsparmöglichkeiten beim Gas durch Atomkraftwerke seien dagegen „sehr, sehr gering“, betonte Habeck. Das Sparpotenzial, das er auf etwa 0,5 bis 0,7 Prozent bezifferte, stehe in keinem Verhältnis zu den Risiken der Atomkraft und der gesellschaftlichen Debatte, die durch einen Weiterbetrieb ausgelöst werde.

Kritik an Fortsetzung des Akw-Betriebs

Die Energieexpertin Claudia Kemfert sprach sich gegen eine Verlängerung der Akw-Laufzeiten aus, da Aufwand und Ertrag „in keinem Verhältnis“ stünden. Die rechtliche Lage sei kompliziert, die Meiler müssten sicherheitstechnisch überprüft und neue Brennstäbe angeschafft werden, sagte die Energieökonomin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Das alles würde viel Zeit kosten, sagte Kemfert. Hinzu komme, dass Atomkraftwerke nur sechs Prozent des deutschen Stroms produzierten. „Wir müssen die Energiewende voranbringen, und nicht an den alten Technologien festhalten. Atomenergie ist in Deutschland Geschichte“, betonte Kemfert.

Die drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland müssen nach geltendem Atomrecht spätestens Ende Dezember vom Netz gehen. Ein erster Stresstest des Bundeswirtschaftsministeriums zur Stromversorgung im Frühjahr hatte ergeben, dass die Versorgungssicherheit Deutschlands selbst unter schwierigen Bedingungen gewährleistet sei.

Aktuell läuft eine zweite Prüfung, deren Ergebnis in den nächsten Wochen erwartet wird. SPD und Grüne stehen einer Akw-Laufzeitverlängerung skeptisch gegenüber. Ihr Koalitionspartner FDP schlug hingegen vor, die Meiler bis 2024 laufen lassen.