Wenn man in Brandenburg bislang etwas direkt beim Erzeuger kaufte, dann handelte es sich vor allem um landwirtschaftliche Produkte. Doch nun gibt es neben Spargel und Erdbeeren auch Elektroautos. Am Dienstag wurden anlässlich der Eröffnung der Tesla-Fabrik in Grünheide die ersten 30 Fahrzeuge des Typs Model Y direkt vor Ort an Kunden übergeben. 64.000 Euro hatten die Selbstabholer für ihren ökologisch korrekten Ami-Schlitten überwiesen, mit dem sie sich künftig in 3,7 Sekunden auf Tempo 100 katapultieren können.
In nicht weniger beeindruckender Schnelligkeit betonierte der US-amerikanische Energie- und Automobilkonzern sein Werk am Ostrand des Berliner Rings in brandenburgischen Boden. Denn erst im November 2019 hatte Tesla-Chef Elon Musk in Berlin verkündet, dass die Gigafactory Nummer vier und zugleich die erste Fertigungsstätte des Unternehmens in Europa in Grünheide entstehen werde. Am Dienstag wurde Eröffnung gefeiert – nur 28 Monate nachdem Musk das bewaldete Areal an der A10 zum Gigafactory-Standort erklärt hatte.
Kanzler Scholz: „Deutschland kann auch schnell sein“
Musk war bereits am Montagnachmittag mit seiner Gulfstream in Schönefeld gelandet, um am Folgetag die ersten Autos übergeben zu können. Bundeskanzler Olaf Scholz sowie Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck fuhren am Mittag mit Limousinen im neuen Werk vor – vorbei an Umweltaktivisten aus der Region, die sich mit Transparenten in Stellung gebracht hatten. Ihre Botschaft: „Keine Industrie im Wasserschutzgebiet“ und „Rettet unser Trinkwasser, kauft keinen Tesla“.
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Elon Musk bezeichnete die Fabrik indes als einen großen Schritt auf dem Weg, das Problem des Klimawandels zu lösen. Zudem twitterte er: „Danke Deutschland!!“, während Kanzler Scholz feststellte, dass Deutschland schnell sein könne, und Habeck befand, dass das Tesla-Tempo „auch für andere Bereiche“ anspornen sollte.
Nach Teslas Planungen werden in dem neuen Werk in Grünheide einmal 12.000 Menschen arbeiten. Sie werden nicht nur Autos montieren, sondern auch die nötigen Batteriezellen und Batterien herstellen sowie Elektromotoren, Kunststoffteile, Sitze und Achsen. Die Jahreskapazität liegt bei 500.000 Fahrzeugen. Vorerst wird in der Gigafactory 4 nur das Model Y gefertigt, das bereits in China und in den USA von den Bändern rollt. Später soll auch das Model 3 ein Grünheider Produkt werden, doch bis dahin wird noch etwas Zeit vergehen.
Denn einerseits wird die Model-Y-Produktion nun erst langsam hochgefahren. Andererseits sind längst nicht alle Mitarbeiter an Bord. Unternehmensangaben zufolge hätten bislang „mehr als 3000 Mitarbeiter“ ihre Arbeit in der Fabrik aufgenommen. Tausende weitere Mitarbeiter sollen in den kommenden Monaten eingestellt werden. Am Ende soll in dem Werk alle 45 Sekunden ein Tesla vom Band rollen.
Für Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke wird die Tesla-Fabrik dafür sorgen, dass Brandenburg als Hightech-Standort „noch bekannter“ werde. „Hier werden Tausende neue Arbeitsplätze entstehen“, sagte der SPD-Politiker. Und tatsächlich ist die milliardenschwere Ansiedlung der Beginn eines großen industriellen Wandels in Brandenburg. Denn während sich das Land von der Braunkohle verabschiedet, etwa das Kraftwerk Jänschwalde in sechs Jahren abgeschaltet werden soll und in der Erdölraffinerie des russischen Rosneft-Konzerns in Schwedt sogar ein ganz plötzliches Ende möglich ist, kommen ganz neue Unternehmen mit neuen Technologien in die Region.
Robert Habeck: „Wir können auch elektrisch“
Bei BASF in Schwarzheide wird im kommenden Jahr eine neue Anlage für Kathodenmaterialien in Betrieb genommen, die die Fertigung von Batterien für jährlich rund 400.000 Elektroautos absichern soll. In Ludwigsfelde hat die US-Firma Microvast gerade mit dem Probebetrieb für die Produktion von Lithium-Ionen-Akkus für Nutzfahrzeuge begonnen. In Guben will das deutsch-kanadische Unternehmen Rock Tech Lithium 2024 eine Raffinerie zur Herstellung von batterietauglichem Lithium-Material in Betrieb nehmen. Es ist die erste Anlage von Rock Tech in Europa.
Den Produktionsstart in Grünheide bezeichnete Bundeswirtschaftsminister Habeck am Dienstag vor allem als einen besonderen Tag für die Mobilitätswende in Deutschland und als einen weiteren Schritt weg von Ölimporten. Das sei keineswegs trivial. „Wir wollen unabhängig von russischem Öl werden“, sagte Habeck und fügte hinzu: „Wir können nicht nur Öl durch Öl ersetzen, sondern wir können auch elektrisch.“
Derweil erneuerte der Verein für Natur und Landschaft in Brandenburg anlässlich des Produktionsbeginns bei Tesla „ausgerechnet am Weltwassertag“ seinen Protest gegen das Werk. Die Landesregierung Brandenburg habe vor Tesla kapituliert und die Ansiedlung „an einem völlig ungeeigneten Standort“ ermöglicht, hieß es in einer Mitteilung. Sorgen der Anwohner, Einwendungen im Verfahren, Proteste der Bürgerinitiativen, Klagen der anerkannten Naturschutzverbände, selbst Bedenken von Wissenschaftlern und Vertretern der Fachbehörden seien ignoriert worden.
„Das ist kein Tag zum Feiern“, sagt Heidemarie Schroeder, Aktivistin im Verein. Keines der Probleme wie die mangelnde Grundwasserneubildung und die Gefährdung von Wasserschutzgebieten sei auch nur im Ansatz gelöst, moniert sie und hält auch die Grünheider Produkte für fragwürdig: „Wenn Ölimporte reduziert werden müssen, sind nicht hochgerüstete Tesla-Autos das Gebot der Stunde, sondern Sparsamkeit und eine echte Verkehrswende.“
Tesla bezeichnet den Wasserverbrauch in der Produktion dagegen als unterdurchschnittlich in der Branche. Während in der Autoindustrie im Schnitt 3,7 Kubikmeter Wasser pro Fahrzeug benötigt würden, läge der Bedarf bei Tesla bei 2,2 Kubikmetern. (mit dpa)
