Human Rights Watch: Kramatorsk-Anschlag war Kriegsverbrechen
Mindestens 58 Menschen wurden getötet, als eine Rakete auf einem Bahnhof im April 2022 in Kramatorsk einschlug. Laut Human Rights Watch nutzte Russland Streumunition.

Kramatorsk-Im Fall des Raketeneinschlags auf einem Bahnhof mit wartenden Flüchtlingen im Osten der Ukraine im vergangenen April sieht die Organisation Human Rights Watch den Verdacht eines russischen Kriegsverbrechens bestätigt.
Russland habe mit Streumunition Dutzende Menschen, die vor den Kämpfen in der Region fliehen wollten, getötet und damit gegen das Kriegsrecht verstoßen, teilte HRW heute in Kiew mit. „Der Angriff stellt ein mutmaßliches Kriegsverbrechen dar“, hieß es in der Mitteilung zu der veröffentlichten großen Studie zu dem Fall. Russland bestreitet, die Rakete am 8. April abgefeuert zu haben.
Kramatorsk: Hunderte Flüchtlinge warteten dort auf Züge
Als vermutlichen Abschussort der Rakete machte HRW den Ort Kunie in der Region Charkiw im Nordosten der Ukraine aus, die damals unter russischer Kontrolle war. Bei dem Angriff auf den Bahnhof von Kramatorsk, in dem hunderte Flüchtlinge wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine auf Züge warteten, kam demnach Streumunition zum Einsatz. Durch die Freisetzung der vielen Munitionsteile seien mindestens 58 Zivilisten getötet und mehr als hundert weitere verletzt worden. Die Stadtverwaltung von Kramatorsk spricht von 61 Toten und mehr als 160 Verletzten.
„Russlands Einsatz einer dezidiert wahllos wirkenden Waffe in einem bekanntermaßen wichtigen Evakuierungszentrum sollte untersucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden“, hieß es in der Mitteilung.
Demnach analysierten die Experten auch Satellitenaufnahmen und suchten die Stelle auf, von der aus die russischen Truppen die Rakete abgefeuert haben sollen. Dort seien auch Beweise gesichert worden. Die ukrainischen Streitkräfte hatten die Region verteidigt und haben Kramatorsk bis heute unter ihrer Kontrolle. Russland hingegen hat angekündigt, die gesamte Region Donezk einnehmen zu wollen. Unter Verstoß gegen Völkerrecht hatte der russische Präsident Wladimir Putin das Gebiet Donezk sowie die Regionen Luhansk, Cherson und Saporischschja im Herbst annektiert.
Streumunition ist international geächtet
HRW kritisiert den Einsatz von Streumunition. „Streumunition öffnet sich in der Luft und verteilt Dutzende oder sogar Hunderte Einheiten kleiner Submunition über ein großes Gebiet.“ Dem Abkommen über das Verbot von Streumunition sind Russland und die Ukraine bisher nicht beigetreten. HRW hatte nicht nur den Einsatz von Streumunition durch Russland beklagt. „Auch die ukrainischen Streitkräfte haben mutmaßlich mehrfach Streumunitionsraketen eingesetzt“, hieß es.
Streumunition ist international geächtet. Sie setzt in der Luft dutzende kleinere Sprengsätze frei, die sich über ein Gebiet von hunderten Quadratmetern verteilen und wahllos Menschen töten oder verletzen. Am vergangenen Wochenende hatte die Forderung der ukrainischen Seite nach Lieferung von Streumunition aus dem Westen für Empörung gesorgt.
