Internationaler Strafgerichtshof erlässt Haftbefehl gegen Putin
Das Gericht wirft Putin vor, für die illegale Verschleppung von ukrainischen Kindern nach Russland verantwortlich zu sein. Der Kreml weist dies zurück.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) hat Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen. Das teilte das Gericht am Freitag mit. Einem entsprechenden Antrag des Chefanklägers Karim Khan auf Ausstellung eines Haftbefehls hätten die Richter stattgegeben. Der Kreml sieht die Entscheidung als „unbedeutend“ an.
„Heute, am 17. März 2023, hat die Vorverfahrenskammer II des Internationalen Strafgerichtshofs im Zusammenhang mit der Lage in der Ukraine Haftbefehle gegen zwei Personen erlassen: Herrn Wladimir Wladimirowitsch Putin und Frau Maria Aleksejewna Lwowa-Belowa“, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichtshofs.
Das Gericht urteilte, es gebe „hinreichende Gründe“ für die Annahme, dass die beiden Verdächtigen für Kriegsverbrechen und rechtswidrigen Deportationen aus den besetzten Gebieten der Ukraine in die Russische Föderation verantwortlich seien.
Das Gericht wirft Putin vor, verantwortlich für Kriegsverbrechen in der Ukraine zu sein. Lwowa-Belowa ist russische Beauftragte für Kinderrechte. Auch ihr werden Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit der Deportation ukrainischer Kinder zur Last gelegt. Nach den Feststellungen der drei Richter, Rosario Aitala, Tomoko Akane und Sergio Ugalde, soll Lwowa-Belowa in den ersten Wochen nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine die Deportation von ukrainischen Jugendlichen und Kindern in von Moskau kontrollierte Einrichtungen angeordnet haben.
Situation in #Ukraine: #ICC judges issue arrest warrants against Vladimir Vladimirovich Putin and Maria Alekseyevna Lvova-Belova
— Int'l Criminal Court (@IntlCrimCourt) March 17, 2023
Read more ⤵️
https://t.co/5OMC7Xuuy5
Es ist der erste Haftbefehl, den das Gericht im Zusammenhang mit mutmaßlichen Kriegsverbrechen in der Ukraine erlässt. Dass Putin tatsächlich auch vor Gericht erscheinen wird, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Russland erkennt das Gericht nicht an.
Kreml: Entscheidung des Weltstrafgerichts rechtlich unbedeutend
Der Kreml bezeichnete den Haftbefehl von Den Haag gegen Putin als rechtlich nichtig. „Allein die Formulierung der Frage halten wir für unverschämt und inakzeptabel“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge am Freitag. „Russland erkennt – wie eine Reihe anderer Staaten – die Rechtsprechung dieses Gerichts nicht an. Entsprechend sind Entscheidungen dieser Art für Russland vom rechtlichen Standpunkt unbedeutend.“
Peskow wollte sich nach Angaben der russischen Agenturen nicht dazu äußern, ob eine drohende Verhaftung des Kremlchefs in Ländern, die das Gericht anerkennen, sich auf die Reisepläne Putins auswirken könnte. „Ich habe zu dem Thema nichts mehr zu sagen.“
Unabhängige russische Medien kommentierten, dass durch den Haftbefehl Putins Reisemöglichkeiten eingeschränkt werden könnten. Viele Länder, darunter auch Verbündete Russlands, erkennen die Zuständigkeit des Weltstrafgerichts an und haben das entsprechende Statut ratifiziert. „Im Fall eines Besuchs Putins in einem dieser Länder, werden die örtlichen Behörden ihn verhaften müssen“, sagte der Anwalt Sergej Golubok dem Portal MO.
Haftbefehl gegen Putin: Ukraine begrüßt Entscheidung von Den Haag
Die ukrainische Führung begrüßte die Haftbefehle gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und die Kinderbeauftragte Maria Lwowa-Belowa als „historisch“. Die Entscheidung bedeutet, „dass sie jetzt auf dem Gebiet der Länder festgenommen werden können, die das Römische Statut unterzeichnet haben“, erläuterte der Chef des Präsidentenbüros in Kiew, Andrij Jermak, im Nachrichtenkanal Telegram. Er betonte, dass Kiew systematisch mit dem Gerichtshof zusammenarbeite.
Der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin lobte die Entscheidung als Signal für die Welt, dass das „russische Regime“ verbrecherisch sei. „Die Führer der Welt werden jetzt dreimal überlegen, bevor sie ihm (Putin) die Hand geben oder sich mit ihm an den Verhandlungstisch setzen“, teilte er mit.
Kostin dankte dem Chefankläger des Gerichtshofs für diesen Schritt. Die Generalstaatsanwaltschaft habe Den Haag bereits mehr als 1000 Seiten an Ermittlungsergebnissen übergeben. Demnach sei die „Verschleppung“ von mehr als 16.000 Kindern aus den ukrainischen Gebieten Donezk, Luhansk, Charkiw und Cherson dokumentiert worden. Kiew sei es bisher gelungen, 308 Kinder zurückzuholen.
Zwar hat die Ukraine das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs nicht ratifiziert. Trotzdem erkennt das Land die Zuständigkeit der Richter für seit 2014 auf ukrainischem Staatsgebiet begangene Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie für Kriegsverbrechen an. 2015 übergab der damalige ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin in Den Haag eine entsprechende Erklärung. 2022 wurden die ukrainischen Gesetze für die Ermittler aus Den Haag angepasst.
Russische Truppen sind vor gut 13 Monaten auf Putins Befehl in die Ukraine einmarschiert. Im Frühjahr 2014 hatte Moskau bereits die Schwarzmeer-Halbinsel Krim annektiert und danach Separatisten in der Ostukraine unterstützt. (mit dpa)