Internes Papier: So sehr setzten die Berliner Grünen die SPD unter Druck

Ein internes Non Paper der Berliner Grünen zeigt, wie viel sie von der SPD in den Sondierungen verlangten. Die Berliner Zeitung veröffentlicht es im Wortlaut.

Bettina Jarasch.
Bettina Jarasch.dpa/Axel Heimken/dpa

Dass die SPD sich auf Koalitionsverhandlungen mit der CDU geeinigt hat, sorgt bei einigen für Überraschungen. In einem internen Sondierungspapier machen Giffey, Saleh und Co keinen Hehl daraus, dass die Gespräche mit den Grünen mühsam waren und dass man sich deswegen für die CDU entschieden habe. In dem Papier heißt es unter anderem: „In nahezu allen politischen Teilbereichen haben die Grünen erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Verabredungsfähigkeit aufkommen lassen.“    

Nun kommt auch noch heraus, dass die Grünen in den Sondierungen erheblichen Druck auf die SPD ausgeübt haben. Weil sie nur 53 Stimmen hinter der SPD lagen, forderten die Grünen von der SPD, bei allen Entscheidung im Senat einbezogen zu werden und auch mitentscheiden zu dürfen.

Das inoffizielle Non Paper aus dem Haus der Grünen liegt der Berliner Zeitung vor. Wir veröffentlichen es hier im Wortlaut:   

Gutes Regieren – was heißt das konkret? (Stand 22.02.23)

Gutes Regieren heißt die Bedürfnisse der Menschen in der Stadt im Blick zu haben und entschlossen anzugehen. Dabei muss das Mindset der Koalition klar sein: Erfolge werden gemeinsam verkauft, Konflikte gemeinsam gestanden und Probleme intern gelöst.

Der Senat steht zusammen und verkauft gemeinsam seine Erfolge

 Spielregeln gelten für alle gleich. Das Ressortprinzip gilt. Der/die Regierende Bürgermeister*in macht inhaltliche Vorschläge zu bestimmten Themenbereichen aus den Fachressortsnur nach Einbindung der/des zuständige/n Ressorts sowie nach Kenntnisgabe an die zuständige Senator*in. Eindeutig fachpolitische Termine der/des Regierenden Bürgermeister*in werden unter Einbeziehung der Fachressorts vorbereitet.

Eine gemeinsame Koalitionserzählung wird von den Senator*innen gelebt: Fach- und Wahlkreisabgeordnete werden zu öffentlichkeitswirksamen Terminen von Senator*innen eingeladen bzw. informiert – egal, welcher Farbe.

Bei absehbar kritischen Themen werden diese vorher zwischen den betroffenen Fachsenator*innen und wo es keine solche Konstellation gibt, von den Bürgermeister*innen ausgetauscht. Konflikte werden kontrolliert im Sinne der jeweiligen Profilierung gefahren.

Geschlossene Kompromisse werden gemeinsam von allen Farben vertreten, es geht nicht um die Frage wer sich durchgesetzt hat. Zu oft ist der Kompromiss limitierten Ressourcen wie Finanzen oder Verwaltungsnadelöhr geschuldet, nicht dem fehlenden politischen Willen.

Die Themen für die wöchentlichen Senats-PK werden im Konsens zwischen den Senatssprecher*innen festgesetzt. Bei Dissens entscheidet der Senat (alternativ: STK, koordinierende STS,…). In der Präsenz gibt es eine Ausgewogenheit, wo immer möglich gibt es gemeinsame Präsentationen der Farben.

Die Vertraulichkeit von internen Runden wird unbedingt eingehalten. Um die Kooperation abzusichern und Informationsflüsse zu gewährleisten, werden die Senatssprecher*innen) in den Regelbetrieb der Verwaltung ausreichend eingebunden.

Die Koalition sichert die Arbeitsfähigkeit von Exekutive & Legislative

Senat und Fraktionen

Die Zusammenarbeit zwischen Senat und den ihn tragenden Fraktionen ist das Kernstück guten Regierens und zugleich der neuralgische Punkt:

Die Zusammenarbeit folgt folgenden Prinzipien, welche im Rahmen der Koalitionsverhandlungen schriftlich und verbindlich ausbuchstabiert und konkretisiert werden.

Die Senatsverwaltungen verpflichten sich zu monatlichen mehrstündigen Jour Fixe (nicht zu verwechseln mit Ausschussvorbesprechungen) mit den Fach-MdA, wo die aktuellen

Vorhaben vorgestellt und erörtert werden. Das Ziel ist eine enge und vertrauensvolle Abstimmung über Inhalte und Agendasetzung innerhalb eines Politikfelds.  Die Häuser bringen die im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben in den Senat ein. Sie sichern eigenständig im Vorfeld die Einbindung der Fachabgeordneten (z.B. in Jour Fixe) ab; dies gilt insbesondere dort, wo die Vorlage der Zustimmung des Abgeordnetenhauses bedarf. Im Rahmen des Mitzeichnungsverfahrens beteiligte Häuser prüfen die Vorlagen entsprechend der GGO II (nur) im Rahmen ihrer fachpolitischen Zuständigkeiten. Die Streitschlichtung wie weiter unten beschrieben beschränkt sich auf Dissense zwischen den Senatsverwaltungen. Darüber hinaus obliegt es der Senatskanzlei unter Einbindung der Bürgermeister*innen die Einhaltung der Richtlinien der Regierungspolitik sicherzustellen.

 Jede Ebene, ob Senat oder Abgeordnetenhaus trägt die politische Verantwortung für ihre Ebene. Politische Dissense des Senat mit den Fraktionen werden im parlamentarischen Verfahren gelöst. Für Senatsvorlagen, die nicht mehr ins AGH gehen oder dort nicht mehr verändert werden können, wird ein Verfahren entwickelt, sei es über den Koalitionsausschuss oder anderweitig, um die Einbindung der Fraktionen abzusichern.

Die schriftliche Anfrage ist das verfassungsmäßig verbriefte Recht des Parlaments. Wenn Abgeordnete einer Regierungsfraktion in großer Zahl kritische Anfragen bis hin zur Akteneinsicht gegenüber Senatsverwaltungen richten, sendet dies auf der anderen Seite aber auch Signale für die Vertrauensbasis der innerkoalitionären Zusammenarbeit und beansprucht in erheblichem Maße Ressourcen der Verwaltung, die ggf. an anderer Stelle fehlen. Die Fraktionen vereinbaren gemeinsam mit Vertreter*innen der Exekutive ein Verfahren, um eine gute Balance herzustellen.

Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen:

Zu jedem Ausschuss gibt es zwischen den Fraktionen im Vorfeld des Ausschusses eine gemeinsame Koa-Fach-Runde zur Vorbereitung des Ausschusses mit den Hausleitungen der zuständigen Senatsverwaltungen. Diese Koa-Fach-Runden tagen zusätzlich einmal im Monat gemeinsam mit den Spitzen des jeweiligen Senatshauses (Senator*in und Staatssekretär*innen) in einem mehrstündigen Jour Fixe.

Anträge, Gesetze und Beschlussvorlagen werden, nachdem sie in den Fraktionen intern besprochen wurden, in diesem Jour Fixe geeint und dann in den Fraktionen beschlossen. Die finanzpolitischen Einschätzungen müssen vor den Verhandlungen im Jour Fixe vorliegen und nur bei deutlichen Veränderungen noch einmal getroffen werden.

Sollten Anträge nicht geeint werden können, werden diese an die Montagsrunde/PGF überwiesen.

Die Arbeitskreise der Koalitionsfraktionen tagen regelmäßig (alle drei Monate?) gemeinsam. Jede Fraktion bringt bis zu zwei Anträgen ein, die in der Regel auf dem Koalitionsvertrag beruhen, die dann diskutiert und zeitnah verabschiedet werden.

Zusammenarbeit im Senat

Die GO Senat und die GGO II sind für alle Senatshandelnden verbindliche Regelwerke, an die wir uns halten. Abweichungen im Einzelfall geschehen nur im Konsens. Wo wir dauerhaft abweichen wollen, schreiben wir es formal korrekt in der GO auf. Die Überarbeitung der GO wird zeitnah umgesetzt. Gemeinsame Prozesse werden an einem geeigneten Ort schriftlich festgehalten und eingehalten.

Die Regierungskoordination der Kernprojekte erfolgt über Intraplan. Die Büros der Bürgermeister*innen haben die gleichen Zugriffsrechte wie die Regierungskoordination der SKZL

Keine unabgestimmten Tagesordnungspunkte auf der Senats-TO. Vorherige Absprache der Bürgermeister*innen oder dafür zu bestimmender Staatssekretär*innen. Grundsätzlich sind Vorlagen auf der TO vollständig mitgezeichnet. Die Senats-TO für die regulären Senatssitzungen wird samt Unterlagen ausnahmslos GO-konform am Mittwoch verschickt. Eine Nachreichung von Unterlagen oder eine nachträgliche Erweiterung der TO um zusätzliche Punkte wird nur bei begründeter Dringlichkeit vorgenommen. Dies geschieht nicht zuletzt mit Rücksicht auf die vielen Mitarbeiter*innen in den Fachverwaltungen, die für ihre Hausleitungen Vorlagen prüfen und votieren müssen. Die Protokolle des Senats werden innerhalb von drei Tagen nach der Sitzung verschickt und in der nächsten Sitzung genehmigt. Alle Mitzeichnungsvorgänge werden den Bürgermeister*innen-Büros im Roten Rathaus zur Kenntnis gegeben.

Analog zu den schriftlichen Anfragen wird eine Liste der laufenden Mitzeichnungen mit Ampelsystem geführt. Bei Verzögerungen im Mitzeichnungsverfahren werden die Vorgänge unter Sonstiges in der StK angesprochen und es wird ein Lösungsmechanismus innerhalb von zwei Wochen auf StS-Ebene verabredet. Ebensolches gilt für kritische Themen, die aus Sicht eines Koalitionspartners nicht ausreichend bearbeitet werden. Wo erforderlich werden diese Prozesse in der GO des Senats verankert.

Übergreifende Formate - Koalitionsausschuss / Regelmäßige Runden

 Koa-interne Probleme werden vorrangig dort gelöst, wo sie auftauchen – also etwa zwischen Fach-MdAs, zwischen PGFs/Montagsrunde, den Senatsressorts, in der CdS- oder der Bürgermeisterrunde.

Auf allen Ebenen werden Mechanismen vereinbart, wie sie in diesem Papier teilweise schon angelegt sind, die eine Befassung bzw. Eskalation erzwingen. Liegenlassen ist keine Option. Das Mindset des Gemeinsamen Handeln für Berlin ist handlungsleitend.

Für übergeordnete Abstimmungen, gemeinsame Kommunikationslinien und Lösung aktueller Konflikte kann eine regelmäßige tagende kleine Runde hilfreich sein. Zusammensetzung, Tagungsintervall und Rolle sind noch zu spezifizieren.

Die großen gemeinsamen Themen werden durch einen Koalitionsausschuss begleitet, der eine stehende Tagesordnung hat, die sich an den Großprojekten der Koalition (wie bspw. Die Verwaltungsreform) orientiert, die nach Absprache um aktuelle Tops ergänzt werden kann. Er sichert das gemeinsame stetige Vorankommen bei den wichtigen Themen ab und sichert die ebenenübergreifende Unterstützung bei diesen Punkten (und kann auch gemeinsame Erfolgskommunikation dieser Themen unterstützen).

Umsetzung Verwaltungsreform

Der Senatsbeschluss zur Verwaltungsreform wird zügig umgesetzt. Analog anderer wichtiger Themen wird ein Senats- bzw. STS-Ausschuss geschaffen. Dieser wird, wie auch andere bestehende oder verstetigte Senatsausschüsse, mit klaren Regeln in der GO verankert. >< Alternative: Das Verfahren wird da wo es um Gesetze geht federführend ins Parlament gegeben.

 Da es einer breiten Beteiligung – auch jenseits der Regierungskoalitionen – bedarf, werden Partizipationsverfahren genutzt, die auch die Opposition und die Bezirke einschließen.


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