„Wer Israel dämonisiert und der Apartheid bezichtigt, ist antisemitisch!“

Die Einschätzung von Amnesty stößt auf starken Protest. Es gebe keine derartigen Vorwürfe gegen mörderische Führungen in Afrika oder Lateinamerika.

Vor der Deutschland-Zentrale von Amnesty International in der Zinnowitzer Straße demonstrieren Menschen gegen die Dämonisierung von Israel als „Apartheitsstaat“.
Vor der Deutschland-Zentrale von Amnesty International in der Zinnowitzer Straße demonstrieren Menschen gegen die Dämonisierung von Israel als „Apartheitsstaat“.Andreas Kopietz

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft Israel im Umgang mit den Palästinensern Apartheid vor. „Wir haben festgestellt, dass Israels grausame Politik der Segregation, Enteignung und Ausgrenzung in all seinen kontrollierten Gebieten eindeutig Apartheid gleichkommt“, sagte die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard, am Dienstag. Die internationale Gemeinschaft sei zum Handeln verpflichtet.

Diese Einschätzung stößt auf scharfen Protest. Israels Außenministerium wies die Kritik des Amnesty-Berichts zurück. „Der Bericht verfestigt und wiederholt Lügen, Ungereimtheiten und unbegründete Behauptungen, die von wohlbekannten, antiisraelischen Hassorganisationen stammen.“ Es gebe keine Vorwürfe dieser Art gegen Syrien, den Iran oder korrupte und mörderische Führungen in Afrika oder Lateinamerika.

Die Befürchtung ist groß, dass der Bericht Antisemitismus weiter befeuert. Die bundesweite politische Interessenvertretung junger Jüdinnen und Juden – die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) – forderte am Dienstag Amnesty International Deutschland auf, sich von der in London ansässigen Organisation zu distanzieren. „Wer Israel dämonisiert, der Apartheid und der ethnischen Säuberung bezichtigt, lügt und ist antisemitisch!“, sagte die JSUD-Vorsitzende Anna Staroselski. „Dass eine Menschenrechtsorganisation mit ihrer Arbeit den Nährboden für Antisemitismus schafft, ist erschreckend.“ Staroselski zeigte sich besorgt über die Zunahme von Antisemitismus in Deutschland als Reaktion auf einen solchen Bericht, wenn dieser unwidersprochen bleibe.

Die Jüdische Studierendenunion rief für Dienstagabend zu einer Kundgebung vor der Deutschland-Zentrale von Amnesty in Berlin-Mitte auf, an der knapp einhundert Menschen teilnahmen.

Zentralrat der Juden: Bericht wird israelbezogenen Antisemitismus schüren

Zurückgewiesen wurde der Bericht unter anderem auch vom American Jewish Committee (AJC), das ihn als unausgewogen, unkorrekt und unvollständig bezeichnete. „Der Bericht macht keinen Hehl aus seiner wahren Absicht – nämlich den Staat Israel zu verunglimpfen, den er als illegitim darstellt, beginnend mit seiner Gründung im Mai 1948“, erklärte das AJC. „Er lässt die Tatsache außer Acht, dass Israels robuste Demokratie seinen arabischen Bürgern volle Rechte und Gleichberechtigung gewährt, dass eine arabisch-muslimische nationalistische Partei in Israels Regierungskoalition vertreten ist und dass es in der Geschichte Israels eine Reihe hochrangiger arabischer Regierungsbeamter gab, darunter Richter des Obersten Gerichtshofs, Minister, hochrangige Diplomaten, Militäroffiziere und Mitglieder der Knesset.“

Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bezeichnete die Veröffentlichung eines solchen Berichtes als fahrlässig, „weil er den ohnehin verbreiteten israelbezogenen Antisemitismus in Europa weiter schüren wird“. Die deutsche Sektion von Amnesty müsse ihrer Verantwortung nachkommen und „sich von dem antisemitischen Bericht distanzieren“.

Die Werteinitiative erklärte: „Gerade in Zeiten, in denen der Antisemitismus weltweit und insbesondere in Deutschland aggressiv zutage tritt, schürt dieser Bericht voller Desinformation von Amnesty UK auch hierzulande Antisemitismus und ist ein Brandbeschleuniger. In dem Bericht wird Israel ein ‚Verbrechen gegen die Menschheit‘ vorgeworfen. Eine Terminologie, die stark durch die Nürnberger Prozesse geprägt wurde. Damit bedient sich der Bericht einer antisemitischen Täter-Opfer-Umkehr.“

Die deutsche Sektion von Amnesty erklärte mit Blick auf die Geschichte in Deutschland und die wachsende Zahl antisemitischer Übergriffe: Im nationalen aktuellen wie historischen Kontext sei eine objektive, sachbezogene Debatte zu der vom Bericht vorgenommenen Einordnung nur schwer möglich. „Um der Gefahr der Instrumentalisierung oder Missinterpretationen des Berichts entgegenzuwirken, wird die deutsche Amnesty-Sektion zu diesem Bericht keine Aktivitäten planen und durchführen.“

Amnesty Internationals Generalsekretärin Callamard erklärte, dass „eine Kritik an der Praxis des Staates Israel absolut keine Form von Antisemitismus“ sei.