Karlsruhe: Regelungen zur Datenanalyse bei der Polizei sind verfassungswidrig

Mit einer neuen Analyse-Software für große Datenbestände wollte die Polizei potenziellen Straftätern schneller auf die Spur kommen.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts.Uli Deck/dpa

Die Regelungen zum Einsatz einer neuartigen Datenanalyse-Software bei der Polizei in Hessen und Hamburg sind in ihrer derzeitigen Form verfassungswidrig. Das gab das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Donnerstag bekannt. Das Urteil bezieht sich ausschließlich auf die Nutzung der Technik zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten.

Mit der neuen Analyse-Software für riesige Datenmengen will die Polizei potenziellen Straftätern schneller auf die Spur kommen. Das Programm durchforstet Datenbanken, um Querverbindungen zu entdecken, die den Ermittlern sonst vielleicht nie auffallen würden.

In Hessen, wo die Polizei schon seit 2017 mit der Software arbeitet, bekommt der Gesetzgeber bis spätestens Ende September Zeit, die problematische Vorschrift neu zu regeln. Bis dahin bleibt sie mit deutlichen Einschränkungen in Kraft. In Hamburg wird die Technik noch nicht genutzt, hier erklärte das Gericht den Passus für nichtig.

Urteil: Auswirkungen auch auf andere Bundesländer

Indirekt hat das Urteil auch Auswirkungen auf andere Bundesländer. Nordrhein-Westfalen setzt die Software ebenfalls bereits ein. Bayern arbeitet gerade an der Einführung - als Vorreiter für andere Länder und den Bund. Der Freistaat hat mit dem US-Unternehmen Palantir einen Rahmenvertrag geschlossen, damit alle anderen Polizeien dessen Programm ohne zusätzliche Vergabeverfahren übernehmen können.

In Hessen werden zunächst einmal nur Daten aus Polizeibeständen ausgewertet. In einer der Datenbanken sind allerdings auch Opfer und Zeugen erfasst – oder jemand, der einmal einen Kratzer am Auto zur Anzeige gebracht hat. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Überprüfung in Karlsruhe angestoßen hatte, hält das für hochproblematisch. Das Programm mache auch vor unbescholtenen Menschen nicht Halt. Außerdem sei die Verlockung groß, mit der Zeit auch externe Daten einzuspeisen - etwa aus sozialen Netzwerken.

Hessendata gegen Terrorismus und Kinderpornografie eingesetzt

Eingesetzt wird Hessendata – so der Name des Programms – insbesondere zur Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität und Kinderpornografie. Bei rund 14.000 Abfragen jährlich arbeiten landesweit mehr als 2000 Polizistinnen und Polizisten mit dem System. Sie sind jeweils nur für ihren Zuständigkeitsbereich freigeschaltet.

Das Urteil betrifft ausschließlich die Datenanalyse zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten. Als Kläger waren Journalisten, Anwältinnen und Aktivisten aufgetreten. Die GFF hatte im Herbst noch eine dritte Verfassungsbeschwerde wegen der NRW-Software eingereicht. Diese war in dem Verfahren aber nicht mehr berücksichtigt worden.

GdP fordert nach Karlsruher Urteil rasch neue Datenanalyse-Software

Die Polizeibehörden von Bund und Ländern müssen aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) möglichst rasch geeignete, verfassungsrechtlich unbedenkliche Datenanalyse-Software beschaffen. Mittlerweile fielen in immer mehr Ermittlungsbereichen sogenannte Massendaten an, sagte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke am Donnerstag. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht Regelungen zum Einsatz einer neuartigen Datenanalyse-Software bei der Polizei in Hessen und Hamburg in ihrer derzeitigen Form für verfassungswidrig erklärt.

Es sei utopisch zu glauben, die zur Aufklärung schwerer Verbrechen relevanten Informationen könnten aus einem Wust von Daten „händisch“ herausgefischt werden, sagte der Gewerkschafter. Nur mit geeigneter Software sei eine rasche Auswertung ermittlungsrelevanter Daten möglich, betonte Kopelke. Wichtig sei dies beispielsweise bei Ermittlungen zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Daher gehe es hier nicht nur um eine Verbesserung der Polizeiarbeit, sondern auch um Opferschutz.