Wahlwerbespot am Holocaust-Denkmal sorgt für Empörung
Zwei Abgeordnete der Labour Party drehen einen Wahlwerbespot in Berlin – und nutzen auch das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas als Kulisse.

Es soll vermutlich ein Videoclip sein, der Aufbruch suggeriert, Verlässlichkeit. Wahrscheinlich soll er Vertrauen wecken bei den britischen Wählerinnen und Wählern, denen in den vergangenen Tagen und Wochen die Regierung wie Domino-Steine, einer folgte dem anderen, zurücktrat.
Die Opposition – Englands Labour Party – nutzt diesen Moment und will sich für Neuwahlen positionieren. Dafür reisen zwei hochrangige Politiker, einer ist der Parteivorsitzende Keir Starmer, nach Berlin. Im Video schütteln sie dem Bundeskanzler die Hand – und spazieren inmitten der Stelen im Mahnmal für die ermordeten Juden Europas umher. Das Video veröffentlichte Starmer am Sonntagmittag auf Twitter. Weil die Politiker die Kulisse des Holocaust-Mahnmals für ihren Wahlwerbespot verwenden, empören sich nun User auf der Plattform.
Labour Party will der SPD folgen
Die Labour Party sei „bereit für eine Wahl, bereit, eine Wahl zu gewinnen, und bereit, zu regieren“, sagt Starmers Stimme aus dem Off. Mit diesem Satz beginnt der etwas mehr als eine Minute lange Clip. Zu sehen sind dazu Starmer und sein Genosse David Lammy, wie sie vor dem Reichstagsgebäude durch die Sonne laufen. Sie sehen entschlossen aus.
Dann folgt man beiden Abgeordneten dabei, wie sie – mal in Zeitlupe, mal im Raffer gefilmt – zum Beispiel Gespräche mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) führen, seine Parteizentrale besuchen. Die Bilder lassen sich lesen wie der Versuch, sich staatsmännisch und lösungsorientiert zu zeigen, als plane man höchstselbst den Fortschritt mit der politischen Schwesterpartei in der Bundesrepublik.
I came to Germany with a clear message: Labour will fight and win the next general election on the economy. pic.twitter.com/k1MXwAQkxc
— Keir Starmer (@Keir_Starmer) July 17, 2022
Doch nachdem die beiden Abgeordneten in Sekunde 25 des Videos noch ehrfürchtig durch eine Galerie gehen, schaltet etwa bei der Hälfte des Videos, nach 30 Sekunden, das Bild auf die dunkelgrauen Betonstelen des Holocaust-Mahnmals in Mitte. Und später, in Sekunde 58, sieht man Starmer etwas mit einem Stift auf Papiere schreiben, die auf einer der Mahnmal-Stelen liegen.
Es sind nur wenige Sekunden – in denen Starmer und Lammy zwar ebenso ehrfürchtig dreinblicken wie im Rest des Clips. Doch ob sie Ehrfurcht hatten vor diesem besonderen Ort, der als Kulisse für ihren Wahlwerbespot diente, bezweifeln nun die Kommentatorinnen und Kommentatoren in den sozialen Netzwerken. Nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung.
Warum die Abgeordneten das Mahnmal als Hintergrund für ihre Kampagne nutzten, aber dabei kein Wort zur Shoah verlieren würden, fragt etwa das Tikvah-Institut, das Antisemitismus-Forschung betreibt.
Hallo @UKLabour, why do use the #Holocaust #Memorial (Memorial to the Murdered Jews of Europe) as a background for your election campaign video without even mentioning the #Shoa with any single word?#desturbing #berlinhttps://t.co/kHgBhxoW5g
— Tikvah Institut gUG (@TikvahInstitut) July 17, 2022
Ein Journalist teilt das Video und schreibt als Kommentar: „Das ist ein massiver Fauxpas in Deutschland“. Andere User beklagen, dass die Partei vom Leid der Juden und Jüdinnen profitiere, manche fordern eine Entschuldigung.
