Ukraine: Kiew meldet massiven Raketenbeschuss aus Belarus

Russland hat nach ukrainischen Angaben am Samstag mehrere ukrainische Regionen mit Raketen unter Beschuss genommen. Auch aus dem Nachbarland Belarus.

Durch Luftangriffe zerstörte Wohngebäude in Tschernihiw.
Durch Luftangriffe zerstörte Wohngebäude in Tschernihiw.dpa/Michael Burza

Nach ukrainischen Berichten über russische Raketenangriffe aus Belarus hat die Führung in Kiew Russland vorgeworfen, das Nachbarland in den Krieg hineinziehen zu wollen. 20 Raketen seien „von belarussischem Territorium und aus der Luft“ auf das Dorf Desna abgeschossen worden, teilte der ukrainische Geheimdienst am Samstag mit. Russland meldete unterdessen die Tötung von dutzenden polnischen Kämpfern bei Angriffen in der Ostukraine.

Der massive Raketenangriff sei gegen fünf Uhr morgens gestartet, teilte das Nordkommando der ukrainischen Armee auf Facebook mit. „20 Raketen haben auf das Dorf Desna gezielt, abgeschossen von belarussischem Territorium (und auch) aus der Luft“, hieß es in der Mitteilung, wonach es durch den Beschuss keine Opfer gab. Russland meldete unterdessen die Tötung von dutzenden polnischen Kämpfern bei Angriffen in der Ostukraine.

Will Russland Belarus mit in den Krieg hineinziehen?

Es sei Infrastruktur getroffen worden, erklärte die ukrainische Armee, ohne mitzuteilen, ob es sich um militärische Infrastruktur handelte. Das Dorf Desna, das vor dem Krieg 7500 Einwohner zählte, liegt 70 Kilometer nördlich von Kiew und zugleich 70 Kilometer südlich der Grenze zu Belarus. „Der Angriff von heute steht in direkter Verbindung mit den Bemühungen des Kreml, Belarus als Mitkämpfer in den Krieg in der Ukraine hineinzuziehen“, erklärte die dem Verteidigungsministerium unterstellte Generaldirektion des ukrainischen Geheimdienstes auf Telegram.

Dem ukrainischen Generalstab zufolge feuerte Russland demnach die Raketen aus Belarus auch auf Schytomyr, einer Großstadt westlich von Kiew, ab. Belarus bezeichnete sich eigentlich seit Kriegsbeginn als „neutral“. Dem ukrainischen Geheimdienst zufolge schossen sechs russische Kampfflugzeuge zwölf Marschflugkörper von der Stadt Petrykaw ab, die im Süden von Belarus liegt. Die Jets seien vom Flughafen Schaikowka in der Region Kaluga im Westen Russlands gestartet, erklärte der Geheimdienst. Sie seien dann in den belarussischen Luftraum eingedrungen und nach dem Abschuss der Raketen nach Russland zurückgekehrt.

Von Belarus waren bereits zu Beginn der russischen Militäroffensive Angriffe auf die Ukraine erfolgt. Belarus diente vor allem in den ersten Kriegswochen als Rückzugsgebiet und logistische Basis.

Russland hatte am Samstagmorgen nach Angaben aus Kiew gleich mehrere ukrainische Regionen mit Raketen unter Beschuss genommen. In den Gebieten Chmelnyzkyj, Lwiw, Mykolajiw, Schytomyr und Tschernihiw seien Einschläge registriert worden, meldet die Nachrichtenagentur Unian.

Angriff vor Treffen von Putin und Lukaschenko in St. Petersburg

Die Angriffe erfolgten vor einem Treffen von Kreml-Chef Wladimir Putin und dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko am Samstag im russischen St. Petersburg. Für Donnerstag und Freitag ist dann ein Besuch des russischen Außenministers, Sergej Lawrow, in Belarus geplant.

Belarus diente vor allem in den ersten Kriegswochen als Rückzugsgebiet und logistische Basis für die russische Invasion in der Ukraine. Lukaschenko ist ein Verbündeter des russischen Präsidenten Putin.

Lawrows Sprecherin Maria Sacharowa hatte die Verleihung des EU-Kandidatenstatus an die Ukraine und Moldau als geopolitisches Manöver gegen Moskau verurteilt. Die Entscheidung bestätige, dass „eine geopolitische Vereinnahmung“ der ehemaligen Sowjetrepubliken „aktiv vorangetrieben“ werde, „um Russland in Schach zu halten“, sagte Sacharowa am Freitag. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erklärte dazu am Samstag auf Twitter, die Reaktion „zeigt nur die Schwäche Russlands“.

Der Ukraine-Krieg steht im Zentrum des Gipfeltreffens der G7-Staaten, das am Sonntag im bayerischen Elmau beginnt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky wird per Video zu den Gipfelteilnehmern sprechen. US-Präsident Joe Biden wird sowohl am G7-Gipfel als auch am Nato-Gipfel kommende Woche in Madrid teilnehmen.

80 Prozent der Opfer seien „polnische Söldner“

Das russische Verteidigungsministerium teilte unterdessen mit, bei „Angriffen mit Hochpräzisionswaffen auf die Megatex-Zinkfabrik im Dorf Konstantinowka“ in der Ostukraine seien „bis zu 80 polnische Söldner“ getötet worden. Zudem seien „20 gepanzerte Kampffahrzeuge und acht Grad-Mehrfachraketenwerfer“ zerstört worden. Konstantinowka, auf Ukrainisch Kostjantyniwka, liegt in der seit Beginn der russischen Offensive am 24. Februar heftig umkämpften Region Donezk.

Gleichzeitig erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau, binnen eines Tages seien in der südukrainischen Stadt Mykolajiw „mehr als 300 ukrainische Soldaten und ausländische Söldner“ getötet und „35 schwere Waffen“ zerstört worden.

Russland bezeichnet alle ausländischen Freiwilligen, die an der Seite der ukrainischen Streitkräften kämpfen, als „Söldner“. Von unabhängiger Seite ließen sich die Angaben des russischen Verteidigungsministeriums zunächst nicht überprüfen.