In Mitte und Kreuzberg leben die Young Urban Professionals („Yuppies“) unter 30, in Charlottenburg Anwälte und Politiker im vorgerückten Alter. Oder? Stimmt allenfalls zur Hälfte. Eine aktuelle rbb-Studie hat die Altersstruktur in den Berliner Bezirken und Kiezen erfasst – und mit manchem Klischee aufgeräumt.
Der Kiez mit dem geringsten Altersdurchschnitt ist nicht etwa das Kreuzberger Bergmannviertel, sondern die „Schöneberger Linse“. Dort sind die Bewohner rund 31 Jahre alt und liegen damit über 10 Jahre unter dem Gesamtschnitt der Hauptstadt (42,9 Jahre). Noch vor ein paar Jahren war der Kiez rund ums Südkreuz eher für ein großes schwedisches Möbelhaus und seinen Recyclinghof bekannt. Der Recyclinghof ist inzwischen Geschichte und aus den 435 Bewohnern von 2010 wurden 1500 (Stand: Juni 2021).
Dass im Charlottenburger Westen Menschen im vorgerückten Alter leben, wird von der Statistik gedeckt. Der Kiez rund um die Angerburger Allee ist der älteste der Stadt: Im Schnitt sind seine Bewohner 54,8 Jahre alt. Doch auch in Charlottenburg ist das Durchschnittsalter insgesamt gesunken. Im Jahr 2010 waren die Charlottenburger im Schnitt noch vier Jahre älter (58,8).
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Gelten in Berlin die Gesetze des demografischen Wandels nicht?
Über die alternde Gesellschaft wird seit Jahren gesprochen, sämtliche Zahlen sprechen dafür. In Berlin hingegen scheinen die Gesetze des demografischen Wandels ausgehebelt: Das Durchschnittsalter von 42,9 Jahren ist offenbar erstaunlich stabil. Die Differenz zum Altersschnitt von 2010 ist marginal: Bei 42,8 Jahren lag er damals – gerade mal um 0,1 geringer. Stadtforscher Sigmar Gude erklärte das Phänomen gegenüber dem rbb mit dem Zuzug von überwiegend jungen Menschen. Die Zuwanderung in Berlin setze sich „vor allem aus Personen zusammen, die hier ein Studium beginnen oder einen Job anfangen.“ Seit 2001 ziehen mehr Menschen in die Hauptstadt als von dort weg, heißt es.
Sigmar Gude erfasst die Altersstruktur der Berliner Kieze als Wellenbewegung: In Neubaugebiete würden zunächst viele junge Leute ziehen, die bald Kinder bekämen. „Nach 20 Jahren fängt es an, dass die junge Bevölkerung auszieht und wir nur noch wenige kleine Kinder und mehr Alte haben. Dort gibt es dann eine sehr geringe Fluktuation“, erklärt der Experte. Eine nächste Welle setze mit dem Umzug der älteren Menschen in Pflegeheime ein, dann rückten wieder junge Leute nach. In dieser Wellenbewegung sieht Gude für die Stadtentwicklung insgesamt einen Nachteil: Denn die Nachfrage nach Infrastruktur (Schulen, Kitas, Alteneinrichtungen) unterliege dadurch großen Schwankungen.
Friedrichshain und Steglitz: Jüngster und ältester Bezirk
Jüngster Bezirk ist laut rbb-Statistik Friedrichshain-Kreuzberg mit einem Altersschnitt von 38,6 Jahren. Die Liste der ältesten Bezirke führt mit rund 46,5 Jahren Steglitz-Zehlendorf an.
Grundlage der Auswertung des rbb sind Daten der sogenannten „lebensweltlich orientierten Räume “(LOR). Diese auch als „Planungsräume“ bekannten Orte werden regelmäßig verändert und an das Stadtbild angepasst. Seit dem dem 1. Januar 2021 gibt es 542 solcher Planungseinheiten.
